Die Entstehung und Entwicklung der AG

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, der den Gottscheern ihre Heimat nahm, wurden, als sich die Verhältnisse in Österreich zu normalisieren und konsolidieren begannen, die in Wien, Graz und Klagenfurt schon vor dem Krieg bestandenen Gottscheer Vereine wieder aktiviert.

Zunächst entstand in Graz, dann in Klagenfurt jeweils der Hilfsverein der Gottscheer und Deutschkrainer; etwas später folgte der Verein der Gottscheer in Wien.

Beherzte Männer wie Dr. Franz Perz, Dr. Oskar Plautz, Prim. Dr. Walter Linhardt, Notar Dr. H. Karnitschnig (Graz), Prof. Peter Jonke, RR. Sepp König, RR. Walter Samide, Hubert Truger, Albert Koscher (Klagenfurt) , Prof. Franz Kraus (Wien) – um nur einige zu nennen – erkannten, daß es notwendig ist, dem heimatlos gewordenen Landsmann zu helfen, ihm die Gewißheit und den Glauben zu geben, daß er in der schwersten Not in der Gemeinschaft Hilfe – nach den damaligen Möglichkeiten – finden kann. Das Gefühl, die Nachbarschaft von daheim ist noch wach, gab Mut, die damals düstere, schier aussichtslose Lage zu meistem.

19521109-hilfsverein

Erster Vereinsvorstand, gewählt am 9. November 1952

Freilich, die Hilfsvereine hatten primär soziale Aufgaben zu erfüllen. Die materielle Not war drückend, Kleidung, Wohnung und Arbeitsplätze fehlten. Unsere Leute hatten kein Einkommen, und – was sie besonders hart traf – sie waren „Ausländer“ mit allen mit diesem Status verbundenen Folgen. Der Altgediente der österreichischen Monarchie war ein Fremder in der Heimat. Was das heißt, kann nur der selbst Betroffene ermessen und beurteilen. Ganz schlimm war es für die alten Leute, die keine Angehörigen mehr hatten. Sie stellen sich mit Recht die Frage: Sind wir jetzt schuld, daß es diesen elendsten aller Kriege gab? Haben nun wir die Folgen zu tragen? Dazu kamen noch die Suche und auch vielfach die Trauer um verschollene und verlorene (im wahrsten Sinne des Wortes) Angehörige.

Hier boten die gegründeten Hilfsvereine echten Heimatersatz. Die veranstalteten Treffen waren gut besucht; die Landsleute freuten sich auf die heimatlichen Begegnungen. Das gegenseitige Mitteilen des Schicksals und Erlebten gab Trost und Kraft und Mut. Man wußte, daß man nicht allein ist – auch nicht mit seinem Schicksal.

Wir müssen heute jenen Männern von Herzen danken, die die Situation erkannten und heimat bewußt handelten. Sie taten ihre Arbeit selbstlos um der Sache willen, der Gemeinschaft wegen, um dem Nachbarn und Freund zu helfen. Dabei hatten sie selbst um ihr tägliches Brot zu kämpfen!

In Österreich war es so, daß – nicht zuletzt bedingt durch die bestehenden Zonengrenzen der Besatzung – die einzelnen Vereinigungen selbständig arbeiten mußten; später im Rahmen der bei den Landesregierungen eingerichteten Zentralberatungsstellen. Die Lage jedes einzelnen Landsmannes war ja anders.

Aber schon zu jener Zeit – gegen Ende der fünfziger Jahre – ergab sich die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit. Die Aufgaben der einzelnen Vereine waren auch nicht mehr nur auf soziale Hilfe ausgerichtet. Es war notwendig, das Umsiedlervermögen zu erfassen, aber auch das kulturelle Erbe unserer Vorfahren und unserer Heimat zu erhalten, zu konservieren. Die Notwen- digkeit eines gemeinsamen Vorgehens erwies sich als dringend erforderlich.

Durch die vielen Abwanderungen unserer Landsleute nach übersee, vor allem den USA und Kanada, ergab sich auch eine andere Vorgangsweise bei den Vermögens- forderungen. Gott sei Dank erkannten alle Verantwortlichen den dringenden Wink der Zeit. In den USA hatten die im Raume von Groß-New York segensreich wirkenden Vereinigungen bereits einen gemeinsamen Koordinator, die Gottscheer Relief Association, Inc. Nur dank ihres Wirkens waren die gewährten Hilfsmaßnahmen entsprechend wirksam. Die Namen der einzelnen führenden Persönlichkeiten hier anzugeben, würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen; sie sind an anderer Stelle erwähnt, wenn auch nicht vollständig.

In Europa fehlte eine der Relief Association entsprechende Dachorganisation. Dies war ein Nachteil, dem abgeholfen werden mußte. Dazu kamen staatliche (sprich: gesetzliche) Schwierigkeiten.

Die bereits 1955 wiedergegründete „Gottscheer Zeitung“ war ein einigendes Band, das für die Zusammenarbeit sicherlich eine entsprechende Basis bot: Zumindest der Austausch und die Bekanntmachung von Nachrichten, die von allgemeiner Wichtigkeit waren, waren möglich. Doch dies mußte noch wirksamer werden, zumal das Erscheinen der Zeitung zunächst auf das Vierteljahr, dann auf den Monat beschränkt war und blieb.

19550000-go-zeitung-redakti-1955

Erster Redaktionsausschuss der Gottscheer Zeitung im Jahr 1955

So haben nach Überwindung verschiedener Schwierigkeiten und Einhaltung gesetzlicher Formalitäten die in Europa wirkenden Gottscheer Vereine zunächst ihre Satzungen vereinheitlicht. Der Name der bestehenden Organisationen wurde generell in „Gottscheer Landsmannschaft“ geändert. Damit wurde auch nach außen hin die Gemeinsamkeit manifest.

Auch der Zweck der Satzungen wurde den neuen Gegebenheiten angepaßt und geändert. Die Ziele wurden erweitert, da die Aufgabengebiete eine Ausweitung erfuhren. Die soziale Frage bekam immer mehr Nachrang, während das Problem der Entschädigung des Umsiedlervermögens immer akuter wurde. Ebenso mußte die kulturelle Arbeit auf breitere Basis gestellt werden.

Die in Deutschland tätigen Landesgruppen (Bayern, Baden-Württemberg und Nord-West) arbeiteten nach den Richtlinien der Satzungen ihrer Hauptvereinigung, der Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland, und richteten ihre Tätigkeit danach aus. Die Landesgruppen waren eine notwendige Einrichtung (wegen der Streulage der Landsleute in der Bundesrepublik), um den Kontakt nicht zu verlieren und die Arbeit wirkungsvoller zu gestalten. Auch wechselseitige Besuche der Schwesterlandsmannschaften fanden statt.

Der 14. August 1960 ist in der gesamten Entwicklung der landsmannschaftlichen Arbeit von besonderer Bedeutung. An diesem Tage fand nach langen Vorbereitungen im Rahmen der 630-Jahr-Feier unserer Gemeinschaft der Landesgruppe Bayern und Baden-Württemberg in Ulm/Donau die Gründungsversammlung der „Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Landsmannschaften „statt. Besonders aktive Mitarbeiter in den einzelnen Landsmannschaften würdigten diesen notwendigen Schritt, nachdem die einzelnen Landsmannschaften den Statuten gemäß ihre Beschlüsse gefaßt hatten. Zum Vorsitzenden wurde Dr. Viktor Michitsch gewählt, zu Stellvertretern die einzelnen Vorsitzenden der Landsmannschaften; Schriftführer wurde der damalige Schriftleiter der Gottscheer Zeitung, VD. Fritz Högler, der diesen Zusammenschluß besonders begrüßt hatte.

19610812-ag-sitzung

Vorstandsmitglieder bei der Tagung der Arbeitsgemeinschaft vom 12. – 13. August 1961

Im § 1 der beschlossenen Statuten ist bestimmt: „Die Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Landsmannschaften ist die Vereinigung von Gottscheer Organisationen zum Zwecke der Koordinierung der ihnen nach den Satzungen obliegenden Aufgaben und zur Verwirklichung der angestrebten Ziele. In dieser Eigenschaft hat die Arbeitsgemeinschaft auch die Aufgabe, ihre Mitglieder zu beraten.“ Andererseits sind die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft verhalten, „von allen in ihren Vereinigungen zur Beratung stehenden Angelegenheiten, sofern sie für die gesamte Volksgruppe von Bedeutung sind oder ein einheitliches Vorgehen erfordern, den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft zu benachrichtigen“ (§ 4). Auf den abzuhalten- den Tagungen sind „alle die Gottscheer betreffenden Fragen und deren Lösungsmöglichkeiten zu besprechen und zu beraten, damit ein einheitliches Vorgehen zum Wohle aller Landsleute gewährleistet erscheint“ (§ 5).

Der Arbeitsgemeinschaft gehörten und gehören an: Gottscheer Relief Assoc. , Inc. , N. Y.; Gottscheer Relief Assoc., Toronto, Kanada; die Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland; die Gottscheer Landsmannschaft in Klagenfurt; die Gottscheer Landsmannschaft in Graz und die Gottscheer Landsmannschaft in Wien. Gemäß dem genehmigten Statut findet jährlich eine ordentliche Tagung (im Rahmen der Gottscheer Kulturwoche) statt. In dringenden Fällen können je nach Bedarf auch außerordentliche Tagungen einberufen werden.</p>

Die Funktionsperiode des Vorsitzenden und des Schriftführers dauert zwei Jahre. Die Amtsträger können jedoch wiedergewählt werden. Der Vorsitzende, Dr. Viktor Michitsch, wurde bisher immer wiedergewählt (einstimmig), so das er nun dieses Amt schon nahezu 20 Jahre ausübt. Dem ersten Schriftführer, Fritz Högler, folgte Med.-Rat Dr. Josef Krauland; nach dessen Tod im Jahre 1973 wurde sein Stellvertreter, Dr. Herbert Krauland, zum Schriftführer gewählt, der diese Funktion auch heute noch innehat.

Die Arbeitsgemeinschaft ist keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern vielmehr ein loser Zusammenschluß einzelner landsmannschaftlicher Organisationen zu wirkungsvoller gemeinsamer Arbeit und Beratung. Dabei haben die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft ihre Selbständigkeit voll behalten. Sie sind auch nicht an Weisungen der Arbeitsgemeinschaft gebunden, die ihre Eigenständigkeit berühren könnten. Die Arbeitsgemeinschaft berät jedoch ihre Mitglieder in allen an sie herangetragenen Fragen. Wichtige Angelegenheiten werden auf breiter Basis beraten und diskutiert. Wichtig ist ein einheitliches Vorgehen in unsere Gemeinschaft betreffenden Fragen, wie Vermögensentschädigung, kulturelle Angelegenheiten, Stellungnahmen zu historischen Aussagen, unsere Gemeinschaft betreffend, Gottscheer Publikationen und Förderung von solchen, Koordinierung von gemeinsamen Veranstaltungen, Abstimmung von Aussagen über das Gottscheer Völklein usw.

Die Tagung der Arbeitsgemeinschaft ist auch das Gremium, das die höchste Auszeichnung, den Gottscheer Ehrenring, verleiht. Hierüber gibt es ein eigenes Statut.</p>

19740322-ehrenring-tschinkel

Ehrenring-Übergabe an Dr. Walter Tschinkel am 22. März 1974

Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft wurde auch die Sepp- König-Stiftung geschaffen. Nach deren Richtlinien werden aus der Stiftung Arbeiten „gefördert und unterstützt, die sich mit Forschungen über Gottschee befassen. Dazu zählen Dissertationen, Abhandlungen über verschiedene Gebiete, Gottschee betreffend“. Dabei müssen die Arbeiten wissenschaftlichen Wert haben und eine entsprechende Publikation wenigstens in der „Gottscheer Zeitung“ erfahren.

Vor allem in der Vermögensfrage hat sich die Arbeitsgemeinschaft bestens bewährt. In diesem Fall funktionierte auch die Zusammenarbeit mit den maßgeblichen Sachbearbeitern der Gottscheer Relief Assoc. in New York bestens. Ohne Übertreibung darf festgestellt werden, daß die Arbeitsgemeinschaft sehr viel zu den bisherigen Erfolgen in dieser Frage beigetragen hat. Es ist klar, daß die Bemühungen in der für uns eminent wichtigen Vermögenssache weiter fortgesetzt werden, so wie bisher auf jeder Tagung dieses Problem behandelt und beraten wurde und die entsprechenden Beschlüsse gefaßt worden sind.

Kurz gesagt ist das Ziel der Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft: Gemeinsames Vorgehen in allen unsere Gemeinschaft betreffenden Fragen, wie Vermögensentschädigung, kulturelle Zusammenarbeit, Koordinierung von Erklärungen, die unsere gesamte Gottscheer Gemeinschaft betreffen, gemeinsames Entgegentreten gegen historische Verfälschungen.

Quellenangaben:

Viktor Michitsch

680 Jahre Gottschee – Festbuch 1980, S 201 – 206

Eigenverlag,

Druck Carinthia, klagenfurt