Vereinsgeschichte der GLM Wien

Mit dem Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts begann der Hausierhandel der Gottscheer infolge der Gründung von Handelshäusern zu stocken. In den neunziger Jahren nahm die Abwanderung aus der Heimat schon solche Formen an, daß der Weiterbestand zumindest gefährdet war. Die um das Wohl der Heimat besorgten Männer erkannten, daß ohne Hilfe von außen der Untergang langsam konkrete Formen annehmen würde. Diese Hilfe von außen mußte vor allem finanzieller Natur sein, um bestehende kulturelle Einrichtungen wie Gesang- und Turnvereine, das Studentenheim und zu erhaltende Schulen zu sichern bzw. neue dieser Art entstehen zu lassen.

Aus diesem Grunde setzten sich vier beherzte Gottscheer, Franz Obermann, Josef Springer, Andreas und Georg Roschitsch, in einer gut besuchten Versammlung von Landsleuten im späteren Vereinsheim in Wien I, Nibelungengasse 5, mit den Zwecken des zu gründenden Vereins auseinander. Es ist demnach das unbestreitbare Verdienst unseres Landsmannes Franz Obermann, die in der Fremde lebenden Gottscheer erfaßt und in ihnen die Bereitschaft erweckt zu haben, der bedrohten Heimat zu helfen. Schon bei der Gründung konnte der Verein auf nicht unbedeutende Mittel hinweisen, die auf die Stifter, die Großkaufleute Johann Zekoll in Wien und Josef Plesche in Prag, zurückgingen, ferner auf die Beiträge der 115 eingeschriebenen Mitglieder des Vereins und auch auf solche der Stadt Gottschee.

Hier ist der Platz, darauf hinzuweisen, daß die Gottscheer in Wien bei den dort ansässigen Gottscheer Kaufleuten immer einen Rückhalt fanden, aber auch darauf, daß diese unsere Landsleute im Geschäftsleben der Weltstadt Wien eine Rolle spielten. Stellvertretend mögen hier zwei Namen genannt werden, ohne die anderen zurückstellen zu wollen:

Bald nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zog es Hans Kresse, der ein Geschäft am Hauptplatz der Stadt Gottschee betrieb (sicher mochten auch die geänderten politischen Verhältnisse eine Rolle gespielt haben), nach Wien, wo er in der Gumpendorfer Straße eine Feinkosthandlung eröffnete. Er gründete in der Folge mit einigen Kaufleuten die „Wiener Feinkost-Einkaufsgenossenschaft“ (WIFEG), die sich bald zu einem derart florierenden Unternehmen entwickelte, daß sich die Wiener Feinkosthändler gerne darum bewarben, in diese Genossenschaft aufgenommen zu werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Kresse diese Genossenschaft in die ADEG über, er war deren gründendes und lange Jahre leitendes Mitglied. Landsmann Kresse war in vielen staatlichen Organisationen tätig, die sich mit dem Lebensmittelhandel beschäftigten; auch an der Reglementierung des österreichischen Lebensmittelkodex war er maßgeblich beteiligt.

Hans Kresse wurde in Anerkennung all seiner Bemühungen zum Kommerzialrat ernannt und mit der Medaille der Wiener Handelskammer ausgezeichnet. Im hohen Alter zog sich Kresse nach einem Herzinfarkt in den Ruhestand zurück und verstarb nach längerem Leiden im 83. Lebensjahr. Es erübrigt sich wohl, zu sagen, daß er eines der treuesten und eifrigsten Mitglieder der Gottscheer Landsmannschaft in Wien war.

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Ein Teil der Mitgliedern der Gottscheer Landsmannschaft in Wien bei einem Ausflug auf die Hohe Wand. Sie stehen am Grabe ihres Mitgliedes Oberförster Hans Loser. Rechts vom Grabstein ist der 1979 abgetretene verdienstvolle Vorsitzende Dipl.Ing. Karl Skoupil zu sehen. Links vom Stein der darauffolgende neue Vorsitzende TOAR Ing. Richard König.

Aber schon um die Jahrhundertwende bestand am Kärntner Ring der Haupt- und Residenzstadt Wien das Delikatessengeschäft „Stalzer am Ring“. Es hatte einen guten Ruf weit über die Stadt Wien hinaus und ging knapp vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in fremde Hände über, da sich keine Erben eingestellt hatten.

Der Vorsitzende des Proponentenkomitees, Franz Obermann, konnte schon bei der gründenden Versammlung am Ostermontag, dem 30. Mai 1891, auf zahlreiche Glückwunschschreiben hinweisen, die ihm u.a. zugegangen waren von Professor Obergföll, Professor (und später k. k. Landesschulinspektor) Wilhelm Linhart, zugleich Herausgeber des „Deutschen Kalenders für Krain und das Küstenland“, von Domprediger Josef Erker, der das Unternehmen mit Freude begrüßte und wünschte, es möge der Verein, vom Geiste Gottes getragen, stets ein kräftiger Förderer des materiellen und geistigen Fortganges des Ländchens zu Nutz und Frommen aller Gottscheer Landsleute sein und bleiben.

Bei der nun folgenden Wahl des Vereinsvorstandes gab es bezeichnenderweise solche Einmütigkeit, daß der Vereinsausschuß nach den eingereichten Vorschlägen mit Stimmeneinhelligkeit aufgestellt werden konnte. Nun entwickelte sich in der folgenden Zeit ein erfreulicher Vereinsbetrieb. Schon in der 1. Hauptversammlung waren wegen ihrer Verdienste um das Heimatländchen zu Ehrenmitgliedern des Vereines ernannt worden: Frau Adelheid Stampfl in Prag, die Herren Exzellenz Geheimrat Josef Freiherr von Schwegel, Professor der Technischen Hochschule in Wien, Hofrat Wilhelm Exner, der Obmann des Deutschen Schulvereines, Dr. Moritz Weitlof, Professor Karl Schröer und Gymnasialdirektor Benedikt Knapp.

Da die Vereinskasse zufolge der großen Mitgliederzahl (235) ansehnliche Beträge aufzuweisen hatte, wurden für die Schulen in Stadt und Land und für den Studentenunterstützungsverein große Geldmittel freigestellt. Auch für das von einem Erdbeben im Jahre 1895 arg heimgesuchte Laibach wurde eine Spende von 112 Gulden ausgeworfen. Um den Verein für seine großen Zukunftsaufgaben auszubauen, hat der Verein unter Obermanns Vorsitz die Presse zu Hilfe genommen und eine eigene Zeitung, benannt „Mitteilungen des Vereines der Deutschen aus Gottschee“ ins Leben gerufen, die aber nach einigen Jahren zufolge interner Zerwürfnisse eingestellt werden mußte. Um den satzungsgemäßen Aufgaben des Vereines gerecht zu werden, hat die Vereinsleitung ohne Zögern die Kosten für die Drucklegung des Werkes von Hofrat Georg Widmer „Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Gottscheer Ländchens“ übernommen. Der Verein hat sich damit anläßlich der Feier seines 40jährigen Bestandes ein ehrendes Denkmal gesetzt. Eine fast bleibende Einrichtung in unserem Verein waren noch vor dem Zweiten Weltkrieg die in der Faschingszeit veranstalteten Bälle, die dank der tatkräftigen Mitwirkung von Frau Maria Stalzer, Kaufmannsgattin in Wien, zu einem Repräsentativfest der Wiener Gesellschaft ausgebaut wurden.

Der unglückselige Ausgang des Weltkrieges, der zum Verlust unserer eigenen Heimat führte, brachte auch unserem Verein schwere Tage, so daß wir erst nach mehr oder weniger unwesentlichen Änderungen der Vereinsstatuten nach einer fast achtjährigen Unterbrechung die Tätigkeit in unserem Verein wiederaufnehmen konnten. Der Proponent, Senatspräsident Dr. Hans Luscher, verkündete am 5. Mai 1951 die polizeiliche Genehmigung zur Wiederaufnahme unserer Tätigkeit.

Erwähnt sei noch, daß wir der 65. Wiederkehr unserer Vereinsgründung am 19. Mai 1957 in einem größeren Rahmen gedachten, wozu wir nicht nur Teilnehmer aus Europa, sondern auch aus Übersee begrüßen konnten.

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Der Verein hatte in den neunziger Jahren bis zu 235 Mitglieder; durch Abwanderung und Tod sank sie ständig und hält heute bei 50 Mitgliedern.
Von der Zielsetzung her, nämlich Gelder für die diversen kulturellen Einrichtungen der bedrohten Heimat zu beschaffen, hatte sich der Verein schon sehr früh vor allem mit der Organisation von Veranstaltungen befaßt; in diese Richtung ging auch seine Aktivität während der Zeit seines Bestehens: zusammenhalten und unterhalten!

Als die Gottscheer Vereine in Europa durchwegs die Bezeichnung „Landsmannschaft“ annahmen, reihte sich auch der Verein der Gottscheer, damals mit Dipl.-Ing. Skoupil als Obmann, ein und legte den traditionsreichen Namen ab. Skoupil bemühte sich, wie auch schon sein unmittelbarer Vorgänger, Prof. Kraus, vor allem um die Erreichung einer Entschädigung für das in der Heimat zurückgelassene Vermögen. Um mit mehr Nachdruck auftreten zu können, haben sich alle Gottscheer Landsmannschaften in Österreich dem im Wien gegründeten Dachverband der Heimatvertriebenen angeschlossen (VLÖ). Die Obmänner der Wiener Landsmannschaft fungierten hier, schon wegen der örtlichen Nähe, als Treuhänder aller Gottscheer Landsmannschaften, nahmen an Vorbesprechungen sowie Besprechungen teil, sprachen mit den Delegierten der anderen Verbände der Heimatvertriebenen bei Regierungsstellen vor und reisten nach Bonn zu Besprechungen mit den Stellen der Bundesrepublik, leider bis jetzt offensichtlich ohne Erfolg.

Die älteste, einst so blühende Vereinigung der Gottscheer in Europa wird wahrscheinlich als erste aller Landsmannschaften der Gottscheer das Los erleiden, das allen bevorsteht: aus Mangel an Mitgliedern die Auflösung zu beschließen. Möge es dem derzeitigen, vermutlich letzten Obmann der Gottscheer in Wien, Ingenieur Richard König (er stammt aus Kerndorf, vlg. Mattlsch), gegönnt sein, dies erst nach der Feier des 100 Jahre währenden Bestehens der Gottscheer Landsmannschaft in Wien am 30. Mai 1991 tun zu müssen.

Quellenangaben:

Dipl.-Ing. Karl Skoupil
650 Jahre Gottschee
Festbuch 1980
Hrsg.: Gottscheer Landsmannschaft Klagenfurt
Grafischer Betrieb Carinthia, Klagenfurt
Seite 225-228