Heimat Gottschee

Einfacher hat es der Geograph. Wenn auch das Ansiedlungsgebiet anscheinend nie genau vermessen wurde, so dürfte der Annäherungswert von 810 km2 (Ausdehnung: N – S 15 km, W – 0 25 km) doch der Realität sehr nahe kommen. Die schluchtartigen Täler der Kulpa im Süden und Südwesten, die das Suchener Hochland (151 m) im Westen begrenzenden Berge, aber auch der Wildbach im Osten verleihen diesem Ländchen mit Hochlandcharakter den Eindruck geographischer Einheit, den auch die das Land von NW nach SO durchziehenden Erhebungen Hornwald (1100 m), Friedrichsteiner Wald (1068 m) und Rieger- Göttenitzer Bergland (1291 m) nicht stören, sondern eher bestätigen. Während also im SO aus dem Becken von Tschernembl (Crnomelj), 156 m hoch, bis nach Maierle (600 m) rund 450 Meter an Höhe zu überwinden sind, liegen zwischen Pöllandl (200 m) und dem Hornwald 900 Meter! Offener ist der „Poljenweg“ von Reifnitz (Ribnica), 491 m, durch das Haupttal in die Stadt Gottschee (460 m) bzw. nach Göttenitz (620 m). Dem aufmerksamen Betrachter wird bald klar, daß wir es hier tektonisch mit einem treppenartigen Aufbau des Landes zu tun haben. Das am tiefsten gelegene Tal, jenes von Pöllandl, umfaßt rund 12 km2 und beherbergte 1930 je Quadratkilometer 90 Einwohner, das etwa gleich große Hochtal von Suchen 60 je km2; ebenso viele je km2 lebten im 130 km2 großen Haupttal, während im an Ausdehnung etwas kleineren Tal von Rieg-Göttenitz (120 km2) 24 Einwohner je km2 wohnten.

Die Wissenschafter zählen unser Ländchen geologisch zu den Dinariden; dolomitische Triaskalke bilden es. Im Erscheinungsbild gibt es allerdings Feinheiten: während sandige Lehme des Werfener Schiefers aus NW (über Soderschitz – Sodrazica und Niederdorf – Dolenja yas) in das Haupttal eingeschwemmt wurden und hier eine Schicht fruchtbarer Ackerkrume bildeten (die übrigens in den südlicher gelegenen Landschaften fehlt), ist das Polje von Göttenitz – Rieg eine vielgipflige Hochebene und die Landschaft um Suchen eine Hochtalwanne; der wenige Kilometer breite Taltrog der Moschnitze ist um Pöllandl klimatisch sehr begünstigt, aber um den Ort Tschermoschnitz (Crmosnjice) bereits gebirgsfrisches Hochtal (437 m).

Der Ausdruck „Polje“ ist bereits gefallen, ein Wort aus dem Slawischen für einen Begriff aus der Geomorphologie (Lehre von der Erdoberfläche), der in der Landschaft der Dinariden erstmals wissenschaftlich untersucht wurde. Wir kommen damit zu den Karsterscheinungen! Die ungeheure Wachstumskraft des Waldes (Zuwachs 6 m3 je Jahr) und seine Zählebigkeit ließen im Gottscheer Land den entblößten Karst, wie ihn das südlicher gelegene Dalmatien oder Istrien kennen, nicht aufkommen. Erhebung der schildförmig aufgewölbten Landschaft, damit Absenkung des Grundwasserspiegels (Dr. Norbert Krebs), und Einwirkung des Regenwassers auf die zerklüfteten Triaskalke sind Voraussetzungen für diese Erscheinungen, die Laien wie Forscher fesseln. Kennzeichnend dafür ist die Wasserarmut an der Erdoberfläche. In der Rinshe, mit ca. 14 km Länge der einzige nennenswerte „Fluß“ des Ländchens, finden wir das Musterbeispiel eines Karstflusses. Seine Quellen (Reabarprünn, Ubrich, Roashnprünn) liegen am Ostfuße von Loschiner und Windischdorfer Nock, sie versiegen nie. In der Rinshe kann nach 100 Metern bereits gebadet werden, sie treibt nach 500 Metern schon die erste Mühle, und die Schlinge, in der nach dem Türkeneinfall von 1471 die neue Stadt errichtet wurde, ist nur fünf Kilometer vom Ursprung entfernt. Der Fluß läßt fast kein Gefälle erkennen, sein Wasser verschwindet in den Sauglöchern zwischen Grafenfeld und Lienfeld, bei Hochwasser (das größte verzeichnete 1876; damals stand das Wasser neun Tage in der Stadt) reicht es aber bis knapp vor Mösel.

Rund 18 km Flußlauf ist dem Wildbach, der bei Mitterdorf in der Moschnitze entspringt, zugemessen; von der wirtschaftlichen Bedeutung dieses Gerinnes zeugen die Angaben im Urbar 1574, denn 23 Mühlen waren abgabepflichtig! Der Rieger Bach (3 bis 5 km Flußlauf) trieb wie auch jener von Tiefenbach einige Getreidemühlen.

Höhlen, die durch die Tätigkeit des unterirdisch fließenden Wassers entstanden, gibt es Dutzende, die bedeutendsten hatten Namen. So kannten wir das Weite Loch bei der Ortschaft Koflern (Koblarji), die Frauengrotte bei Mitterdorf (Stara cerkev), die Dreibrüdergrotte auf dem Friedrichsteiner Zug, die Grotten bei Seele (Zeinje), die mehrere verschieden ausgebildete Räume umfassen und Tropfsteine aller Größen und Formen aufweisen. Besonderheiten bilden die sogenannten Eishöhlen (z. B. jene auf dem Friedrichsteiner Zug oder jene von Kuntschen), während die vielen Einbrüche (,Grüabm‘) oberirdische Karsterscheinungen darstellen, die der Fachmann ,Doline‘ oder, in größerer Ausformung, ,Polje‘ nennt. Von der Größe dieser Dolinen erhält man eine Vorstellung, wenn man weiß, das z.B. ,da Hirisgrüaba‘ bei Oberloschin etliche Fuhren Heu lieferte.

Das Klima zeigt maritime und kontinentale Einflüsse. Messungen der Auerspergischen Forstverwaltung im Auftrage der Meteorologischen Anstalt Wien (1871 – 1918) ergaben Höchsttemperaturen von +36 Grad, die Juliisotherme beträgt 22 bis 24 Grad (Südfrankreich, Ungarische Tiefebene); die Jännerisotherme (zwischen +2 und 0 Grad) läßt auf einen strengen Winter schließen. Kennzeichnend sind die beständigen Nebelbildungen im Herbst sowie die hohe Niederschlagsmenge (Stadt Gottschee 1570 mm).

Wirtschaftliche Verhältnisse hängen ab vom Raum und den diesen gestaltenden Menschen; Geschichte, Kultur, aber auch Politik wirken auf die Wirtschaft ein. Dies läßt sich in Gottschee, wo lokale und materielle Begrenztheit unübersehbare, unüberwindbare Faktoren waren, besonders verfolgen.

Vorherrschende Vegetationsform ist auf Grund der karbonathaitigen Böden und der Niederschläge der Wald; er stand am Anfang der Geschichte unseres Ländchens. Des Ortenburger Grafen Friedrich Waldordnung vom 20. Mai 1406 ist eine der ersten ausführlichen Urkunden unserer Geschichte, in dem Titel „Waldreichtum“ ist auch der Großteil der materiellen Forderungen begründet, die der Gottscheer Umsiedler seinem Vertragspartner (Umsiedlungsvertrag 1941) stellt.

Es ist für mitteleuropäische Verhältnisse beeindruckend, wenn zusammenhängender Wald eine Fläche von 150 km2 bedeckt, wie z. B. im Hornwald, annähernd die Fläche des Fürstentums Liechtenstein! Trotzdem ist dieser noch stärker mit Siedlungen durchsetzt als das Rieg-Göttenitzer Bergland; die Herrschaft gab eben nicht überall Boden für die Rodungen und Siedlungen frei.

In den Höhenlagen von 700 bis 1200 Metern überwiegen Rotbuche und Tanne, sie sichern reichliche, andauernde Rohstoffversorgung, das trotz der Tatsache, daß seit dem Beginn der Besiedlung dieses „slowenisch-kroatischen Grenzwaldes“ (Dr. Saria) immer wieder mächtige Eingriffe erfolgten; in den Karstlöchern mit ihrer Temperaturinversion wird der vorherrschende Dinarische Buchenwald von der Fichte abgelöst. Weil „… es unter den Bauern wegen der Waldnutzung vielfach zu Streit, ja zu Totschlägen gekommen und daher für alle Zukunft Ordnung geschaffen“ werden müsse, erließ der Ortenburger Friedrich, Landesherr von Gottschee, die Waldordnung, die sich zwar dem Buchstaben nach auf die Waldungen, die darin gelegenen Bilchgruben, das Federspiel und andere Waldrechte bezieht, aber, wie aus einem vom 24. Februar 1577 an die landesfürstliche Kammer datierten Schreiben hervorgeht, den bäuerlichen Grundbesitz meint. Sie wurde somit zum Freiheitsbrief, der dem Gottscheer Bauern den Besitztitel für Grund und Boden gab und ihm dessen ruhigen Genuß sicherte.

Die Auersperger haben sich sofort nach Erwerb der Herrschaft (1641) der Wälder angenommen. Der Josephinische Kataster gibt 1770 deren Waldbesitz mit 75.000 Joch an (1 Joch = 5755 m2); die Fläche hatte sich bis zum Jahre 1823 durch Rodung usw. auf 48.000 Joch verringert, nach den Reformen des Jahres 1848 verblieben den Auerspergern noch 32.000 Joch. Schon 17951 ließen sie den Hochofen und das Eisenwerk in Hof im Gurktal anlaufen, 1835 begann die Glashütte in Karlshütten bei Göttenitz zu arbeiten. Mit der Eröffnung der Südbahnstrecke Laibach-Triest (15. Oktober 1857) wurde Rakek Verladestation für Gottscheer Holz; Delnice mit der Eröffnung der Strecke Agram-Fiume 1873; die Unterkrainer Bahn, auf deren Bau Fürst Karl, ein Freund von Kaiser Franz Joseph L, maßgeblichen Einfluß ausüben konnte (1893 eröffnet), erschloß das gesamte Land. Da inzwischen die Wälder durch Waldstraßen der Herrschaft nutzbar geworden waren, konnten das in den vielen Sägen anfallende Schnittholz, aber auch die Holzkohle dem Weltmarkt zugeführt werden.

Bis in die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts hielt sich die Holzverarbeitung als Hausindustrie, die früheste Nachricht darüber ist der Freibrief Kaiser Friedrichs III vom 23. Oktober 1492. Diese Urkunde, allgemein als „Hausierpatent“ bekannt, gestattet nämlich den Gottscheern, mit “ Vieh, Leinwand und anderem, so sie erarbeiten. . .“ zu handeln. Daß sie dieses Recht nutzten, beweisen ein Schriftstück aus dem Jahre 1615 und einige Stellen bei Valvasor. Der Freibrief wurde im Laufe der Zeit 20mal erneuert, das letzte Mal 1841, und der Gottscheer wandernde Händler, der in der Zeit, da es noch wenige ortsfeste Handlungen gab und diese nur in den größeren Orten, versorgte Dörfer und abgelegene Landstriche mit dem Notwendigsten. Daß er daher hier langersehnter und gerngesehener Besucher war, versteht sich von selbst.

In der Fassung, auf „“das Croatische und anderweitig““ hin handeln zu dürfen, lag ja schon der Keim der späteren Ausbreitung, im späten 18. Jahrhundert finden wir Gottscheer Wanderhändler von Fiume bis nach Polen und Rußland, und viele von ihnen wurden in der Ferne vermögende Kaufleute und dort sesshaft, so Stampfl (der aus Eben bei Morobitz stammte), in Prag, Verderb er in Retz (Niederösterreich), Krauland in Wien und Graz, Meditz in Steyr, Perz in Leoben, Loser im Küstenland, um nur einige zu nennen. Auch hat sich das Patent im Laufe der Zeit auf seinen Inhalt hin gewandelt: der Südfrüchtehandel lag zeitweise fast monopolartig in der Hand von Gottscheern; und schließlich wurde der Wanderhändler zum Hausierern, der in Gastlokalen zum Glücksspiel animierte. Hier dürfte vor allem die Wurzel dafür zu suchen sein, daß der Wanderhändler in etwas schiefes Licht geriet. Dazu mag beigetragen haben, daß die Wanderhändler in der Stadt für den ortsfesten Handel eine Konkurrenz bedeuteten, daher mit Mißgunst betrachtet wurden.

Durchschnittlich mögen es an die 300 Männer gewesen sein, die diesem Geschäft oblagen, das sich, anfangs zumindest, in der Zeit abspielte, da in der Landwirtschaft wenig zu tun war. Bedenkt man aber, daß die Hausierer lernten, auf leichtere Weise, als dies zu Hause der Fall war, Geld zu verdienen, zieht man in Betracht, daß nach einer Statistik im Jahre 1869 in der Heimat zwar 3880 Männer waren, „unterwegs“ aber 3841, so kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, daß das Hausierpatent, „in Ansehen des erlittenen Türkenruins. . .“ erlassen, im Laufe der Zeit viele negative Ergebnisse zeitigte.

Ab 1934-35 begann der gelenkte Hausierhandel von Gottscheern im Deutschen Reich. Mit dem Ertrag einer Saison konnte im günstigsten Falle ein Betrieb mit zehn Hektar modernisiert werden, daher war‘ der Andrang groß. Es wurden aber nur 300 Mann pro Saison zugelassen, jeder dieser Hausierer konnte höchstens zwei bis drei Winter mit der Bewilligung rechnen. Mit dieser Maßnahme wurde zwar das Wesen des ursprünglichen Freibriefes aus 1492 wieder erkannt, die Weltgeschichte hatte jedoch bereits einen Strich unter die Entwicklung gezogen.

8,6 Prozent Ackerland, 20,6 Prozent Wiese, 34,4 Prozent Hutweide, 34,7 Prozent Wald, 1,7 Prozent Gärten, Weingärten, Odland usw. (1903) – der Gottscheer Bauer war bis in die letzten Jahre ein „Allroundler“, der vieles betreute und im Südosten der Sprachinsel die Weinrebe zog, von der z. B. 1892 rund 23 hl Wein gepreßt wurden. Der Tierbestand des Jahres 1930 von 1161 Pferden, 8437 Rindern, 422 Schafen und 61 Ziegen verteilte sich auf annähernd 3000 bäuerliche Anwesen mit etwa 12.000 Seelen.

Gibt es das typische Gottscheer Dorf?

Zentren der Uransiedlung und Innenkolonisation, vertikale Gliederung und Zwänge der Gegebenheit bedingen es, daß wir eine Vielfalt von Dorfformen vor uns haben. Eigenartig berührt, daß der Einzelhof des Alpengebietes nirgends anzutreffen war, ebenso nachdenklich stimmt, daß auch die Gründungssiedlungen in ihrem oft vollkommen regellosen Charakter schwer zu deuten sind, vielleicht, weil der Grundherr (fast) keine Vorschriften dazu erließ, um die Dorfanlage ideal den Geländeformen anpassen zu können.

Ansehnlich ist die relative Höhe zwischen dem am tiefsten gelegenen Dorf der Sprachinsel, Pöllandl (200 m), und der höchstgelegenen Siedlung, Gatschen (942 m); letztere wurde allerdings bereits 1927 aufgelassen. Die Siedlungen des Hauptbeckens liegen zwischen 459 m (Lienfeld) und 492 m (Schalkendorf), die Stadt selbst liegt auf 460 Metern Seehöhe. In kleinen Mulden mit Humusdecke liegen die Orte knapp westlich des Hornwaldes (Altlag 402 m). Allerdings gibt es auch viele Dorfan- lagen in Hochbecken, so im Suchener Hochtal, aber auch am SW -Fuße des Hornwaldes, z. B. Reichenau (665 m). An den beidseitigen Abdachungen des Hornwaldes entstanden Hangsiedlungen, ebenso an dessen Süd- und Südostrand: Lichtenbach (674 m), Stockendorf (737 m). Wie Inseln heben sich die Ortschaften in den Waldungen ab; sie fehlen zwar im Göttenitzer und Friedrichsteiner Gebiet, liegen aber an den Abdachungen des Hornwaldes über 900 m hoch, z. B. Untersteinwand (938 m).

Der Muldenform der Böden und dem Verlauf der diese durchziehenden Straßen folgen die Straßendörfer, in der Regel ohne Seitengassen (Grafenfeld); unregelmäßige Straßendörfer, die den Eindruck eines Haufendorfes erwecken, entstehen, wenn sich zwei Verkehrswege kreuzen (Mitterdorf bei Gottschee) oder die Talfurche eine Ausdehnung auch nach einer anderen Seite gestattet (Nesseltal). Haufendörfer entstanden auf Kuppen (z. B. Mösel). Zu den Reihendörfern, in denen die Häuserreihen senkrecht zum Verkehrsweg stehen, zählen wir u. a. Malgern.

Nicht in jeder Landschaft sind die gleichen Baumaterialien gleich leicht erreichbar, daher prägt jede Landschaft ihren Häusertyp; in Gottschee war es ein einfaches Haus, das seinen Giebel der Straße zukehrte, wobei sowohl Holz als auch Steine als Baumaterial verwendet wurden.

Unverkennbar ist die Ähnlichkeit der Kirchen von Gottschee mit jenen von Unterkrain, trotzdem wirken jene viel zurückhaltender, es fehlt ihnen die Beschwingtheit, die den Unterkrainer Gotteshäusern ihre heiteren Glockentürmchen verleihen.

Es fällt auf, daß die zweite bairische Ortsnamenschicht, nämlich jene, deren Bezeichnungen von den Landschaftsformen und der Besiedlung abgeleitet sind, fast ausschließlich vorkommt. Es gibt z. B. 13 Ortsbezeichnungen, die mit -dorf enden, ebenso viele enden mit -berg, 12 mit -bach (-bacher), 7 mit -büchel usw. Daß keine einzige Ortschaft den Namen eines Hei- ligen trägt, ist vielleicht daraus zu erklären, daß die Siedler vor- erst auf sich selbst angewiesen waren; daß die geistliche Betreuung erst später kam, dafür ist uns u. a. die Urkunde vom 1. September 1339 ein Beweis. 17 Ortsnamen entstammen dem Sla- wischen, bei 37 Zwitterformen kann dies der Fall sein; 124 Orts- bezeichnungen sind deutsch. Eine nach allen Richtungen hin befriedigende Deutung des Namens Gottschee, dürfte über- haupt nicht zu geben sein – aber, das ist heute nicht mehr wesentlich.

„ . . sintemal durch das Wort Gottschee nicht nur eine Stadt, sondern auch eine Grafschaft. . . verstanden wird, deren Einwohner. . . sowohl ihre eigene Sprache als Kleidertracht haben. . . Überdies ist ihre Sprache recht altväterisch und grobdeutsch und begreift gar alte deutsche Worte. . .“. Das lesen wir schon bei Valvasor (1689).

Diese erste Erkenntnis, daß unsere Gottscheer Mundart altertümlich sei, hat sich nach 300 Jahren nicht geändert, wie folgendes Zitat aus 1916 beweist:

„Wer sich mit der geistlichen Dichtung der ausgehenden Babenbergerzeit beschäftigt, dem werden sicher bald Parallelen zur Motivik der Gottscheer Volkslieder auffallen. Noch viel überraschender wird uns aber die Feststellung treffen, daß besonders Satzbau und Wortwahl dieser frühmittelalterlichen Literatursprache bis heute im Gottscheerischen fortleben. Kaum ein anderer Dialekt hat sich soviel vom Reichtum dieses frühmittelalterlichen deutschen Literaturidioms bewahrt.“ (Dr. Günter LipoId, Germanistisches Institut der Universität Wien).

Unsere Mundart hat zwar keinen einheitlichen Charakter, trotzdem ergeben sich keine festen Grenzen zwischen den Talschaftsmundarten. Einheitlich wurde überall die Lautverschiebung durchgeführt, und es finden sich Formen, die in das Mittel- hochdeutsche, andere, die ins Althochdeutsche reichen, wie wir Dr. Walter Tschinkels „Wörterbuch der Gottscheer Mundart“, I. Bd., Seite XV, entnehmen können. Zwei lautliche Parallelen, die es im gesamten Bairischen nur in Tilffach und in Gottschee gibt (Dr. Hornung, a. a. 0., Seite 146), haben der Annahme, die Gott- scheer Uransiedler müßten aus den tirolisch-oberkärntnerischen Besitzungen der Ortenburger stammen, von der Lautforschung her starken Rückhalt gegeben. Was Schröer 1861 für unsere Mundart sagt, sie sei nämlich „ . . eine äußerst wertvolle . . . Quelle für germanistische Studien. . .“, gilt in besonderem Maße für das Gottscheer Volkslied. Die umfangreiche Sammlung, die Dr. Hans Tschinkel schon vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges zusammengetragen hatte (1110 Nummern), ging wegen des Krieges nicht mehr in den Druck.

Davon sind heute einige Kostbarkeiten bereits festgehalten; es liegen vor:

  • drei Bände „Gottscheer Volkslieder“,
  • Schott, Mainz (1969); „Gottscheer Volkslieder mit Bildern und Weisen“, Berlin (1930),
  • „Gottscheer Volkslieder aus mündlicherUberlieferung“ (drei Langspielplatten, Freiburg, 1967),
  • je eine Platte der Gottscheer Chöre, New York und
  • der „Gottscheer Sing- und Trachtengruppe Klagenfurt“ (1976).

Wo unsere Trachtenträger in der Öffentlichkeit auftreten, erregen sie Interesse. „Ein Relikt mittelalterlicher Mode“ nennt Dr. Kundegraber die Frauentracht; zum in acht Zwickel ausgehenden Frauenhemd hat sie Parallelen in Stoffresten aus Wikingergräbern auf Grönland gefunden!

Die wissenshungrige Gruppe, die Pfarrer Josef Eppich um sich sammeln konnte, lüftete an jenem 23. Juli des Jahres 1924 den Vorhang über die frühe Geschichte unserer Heimat ein wenig: auf dem „Hianarpichl“ bei Obrern wurde ein Aschengrab freigelegt, es datiert aus der Hallstattzeit (750 bis 450 v. Chr.). In eine ältere Periode der Menschheitsgeschichte reichen die Funde bei Seele, wo 1971 neben verschiedenem Steinwerkzeug auch Knochen des Alpenmurmeltieres und Hirschknochen gefunden wurden. In die ausgehende Bronzezeit bzw. in deren Übergang in die Aschengrabkultur (12. Jahrhundert v. Chr.) führt der Depotfund vom 8. April 1977 bei der Anlegung des Forstweges im Gebiet Buchberg-Vornschloß. Die gefundenen dreizehn Bronzewerkzeuge und -waffen gehören neben den Funden in den Grotten von Seele zum Bedeutsamsten, was bisher von der vorgeschichtlichen Besiedlung zeugt.

Dann hören wir lange nichts, können aber mit einiger Gewißheit annehmen, daß die Römerstraße Emona-Weißkrain das Ländchen berührte. Nach der Zeit der Völkerwanderung kamen die Slawen aus dem 0 und SO, in den Alpenländern stießen sie auf die Bayern, die aus dem Norden vorrückten und, wie jene, den Flußtälern folgten, um neues Land zu gewinnen. Die Herrscher des Frankenreiches belehnten Adelige und Bistümer mit Grund und Boden, und daß es dabei nicht ohne Streitigkeiten abging, beweist der Schiedsspruch Kaiser Karls I., in dem er am 14. Juni 811 die Drau zur Grenze zwischen den Bistümern Salzburg und Aquileja bestimmte. Im Jahre 1011 belehnte Kaiser Heinrich N. den Patriarchen Siegehard mit Krain und der Windischeli Mark, und zwar, soweit sich diese nicht schon in der Hand anderer Herrschaften befand. Der Patriarchenstaat erkor sich Inner- und Unterkrain als Siedlungsgebiet; das Zirknitzer Becken, das ihm schon Kaiser Heinrich 111. 1040 überantwortet hatte, wurde zum Zentrum der kolonisatorischen Ausstrahlung nach SO.

„Ohne die Ortenburger hätte es den mittelalterlichen Oberkärntner in der Gottscheer Ausprägung nicht gegeben“, sagt Dr. Erich Petschauer (a. a. 0.). Die Ortenburger treten 1010 auf, sie werden 200 Jahre später (am 20. September 1211) Lehensnehmer der Patriarchen, zugleich aber deren militärische Schutzmacht, wie es der Prunktitel „Schwert von Aquileja“ verrät. Daß das Adelsgeschlecht um diese Zeit bereits in Unterkrain, und zwar in unserem Ländchen, begütert gewesen sein muß, geht aus dem Teilungsvertrag (1263) zwischen den Brüdern Friedrich 11. und Heinrich 111. von Ortenburg hervor (“ . . . und Reivenz mit Leuten, Gütern und allen Zugehörungen bis zum Wasser, welches insgemein Chulp heißt.. .“). Die Ansiedlungen dürften jedoch um das spätere Gottscheer Land angelegt worden sein. Im Vertrag auf Burg Treffen (1211) hat Patriarch Raimund della Torre den Vasall gedrängt, die Besiedlung des Waldes in Unterkrain zu beginnen bzw. voranzutreiben. Jedoch die Nachwirkungen der „kaiserlosen, schrecklichen Zeit“ (1254-1213) waren noch zu spüren, die politische Lage, besonders die Absichten des neuen Herrn in Osterreich, Rudolfs I., des ersten Habsburgers, noch sehr unklar, es fehlte an Geld und auch an Menschen, denn auch in Oberkrain lief damals die Ansiedlung noch. Dazu lagen die Ortenburger mit dem alteingesessenen Geschlecht der Auersperge, deren Schloßbau auf dem Auersperg auf das Jahr 1061 zurückgeht, in Streit, der 1320 in Laibach beigelegt wurde. Anlaß zur Fehde müssen Uberfälle der Ortenburger auf Auerspergische Güter gewesen sein, um sich Leute anzueignen, die sie auf ihren Ländereien ansetzten. Diese „stille“ Ansiedlung dürfen wir als jene erste Phase der Kolonisation von Gottschee betrachten, die als Randbesiedelung des Unterkrainer Waldes mit gemischtsprachigen Gruppen aufzufassen ist. Zwischen 1310 und 1314 könnte dies unter Graf Meinhard I. geschehen sein, damals dürfte auch Göttenitz entstanden sein. Nach Meinhards Tode (1332) wurde dessen Bruder Otto V. zum erfolgreichen Kolonisator, wobei ihm die Zusammenkunft am 11. Juni 1336 in Villach mit Patriarch Bertrand von Aquileja und die neuerliche Belehnung mit den Schlössern Orteneck, Pölan und Grafenwarth (das spätere KosteI) „. . . wie von alters her. . .“ den Rückhalt gaben. Es werden dann, eher unauffällig, im Verlaufe von zumindest 20 Jahren rund 500 bis 600 Menschen als Uransiedler gekommen sein.

Jede Siedlergruppe erhielt von der Herrschaft ein abgestecktes Stück Waldland zur gemeinsamen Rodung zugewiesen, dann erst wurde es aufgeteilt, und zwar in der germanischen Gewannflurart mit dem Wiesenland als Allmende; diese und der Wald waren der gemeinsamen Nutzung freigegeben, soweit letzteren die Herrschaft nicht für sich behielt. Die gerodeten Teile wurden von den Neubauern in unkündbarer Erbpacht gegen die Verpflichtung übernommen, der Herrschaft Zins zu zahlen. Es kann angenommen werden, daß jeder Ansiedler eine volle Hufe (Hube) mit sämtlichen Rechten bekam. Im Urbar von 1514 scheinen jedoch die meisten Besitzer als Halbhübler auf; sicher hat die natürliche Volksvermehrung innerhalb dieses Zeitraumes zur Aufteilung der Vollhufe geführt (Dr. Podlipnig).

Der Freisinger Besitz in Oberkrain gliederte sich (nach Prof. Saria) um 1300 in fünf Ämter, die nach den Herkunftsländern der Siedler bezeichnet wurden. Leider finden wir über Gottschee keine derartigen Niederschriften. Einen fast vollwertigen Ersatz jedoch bieten die Ergebnisse der vergleichenden Sprachforschung, bahnbrechend die These von Dr. Kranzmayer, daß „. . . Gottschee. . . von Kolonisten aus dem tirolisch-kärntnerischen Grenzgebiet. . .“ besiedelt wurde. Weitere Arbeiten, so von Dr. Maria Hornung und Dr. Walter Tschinkel, haben dies untermauert.

Die Urkunde vom 1. September 1339 mutet ausgesprochen „heimisch“ an, denn sie nennt den Ort Mooswald, wo Graf Otto V. auf Erlaubnis des Patriarchen Bertrand von Aquileja einen Kaplan anstellen darf. Es verwundert – wie so vieles in der Geschichte Gottschees – wieder, daß in der Urkunde vom 1. Mai 1363, also knapp 24 Jahre später, diese „villa“ Mooswald als Landgut, vielleicht auch als „Basisdorf“ für die Ansiedlung zu verstehen, nicht mehr aufscheint, vielmehr tauchen, neben den bis jetzt bekannten Orten (Pölland, Kostel und Ossiunitz), nunmehr zwei neue Namen auf: Goteniz und Gotsche.

Da es sich bei der Ansiedlung um keine nationale, sondern um eine wirtschaftliche Sache handelte (nationale Momente spielen erst ab etwa 1848 jene Rolle, die in der Katastrophe der 1. Hälfte unseres Jahrhunderts gipfelt), sollen hier die jahrzehntelangen Streitereien um die Herkunft der Ortsbezeichnung „Gottschee“ außer acht bleiben. Da Mooswald in der zweiten Urkunde, 1363 vom selben Lehensherrn wie jene aus 1339 ausgestellt, nicht mehr vorkommt, aber das in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene „Gotsche“ bereits Pfarre ist, muß letztere Siedlung größer, bedeutender gewesen sein. Sie könnte also in der ersten Ansiedlungsphase durch Meinhard I. (s. d.) angelegt worden sein, der die Siedler von den Oberkrainer Gütern der Ortenburger geholt und an der Rinse angesiedelt hat; diese Menschen brachten die Ortsbezeichnung „Hocevje“ aus ihrer Heimat mit. Die Neusiedler deutscher Zunge machten daraus in der Mundart, indem h zu g wurde, je am Ende wegfiel, v als b gesprochen und e der Schlußsilbe durch den Druck der Betonung zu ea wurde, „Göttscheab“ (Dr. Petschauer). Kaiser Friedrich 111. nennt den Ort in einer Urkunde vom 23. November 1377 „unsern Markt ze Gotse“. Er erhebt ihn am 1. Mai 1471 zur Stadt, wobei er die Befestigung und Verlegung in den Rinsebogen anordnet. Im Jahre 1574 hatte die Stadt 600 Einwohner, 1817 erst 900, aber 1857 bereits 1500. Die Volkszählung von 1910 weist in 304 Häusern 2531 Einwohner auf, 1931 sind es 3079, 386 Häuser werden 1938 gezählt.

Inzwischen waren die Urheber der Ansiedlung, die Ortenburger, schon ausgestorben (1418), ebenso die Cillier, die sie beerbten (1456), und das Gebiet war an die Habsburger gefallen. Mit ihnen, die bald dieses, bald jenes Stück des Landes bald diesem, bald jenem Adelsgeschlechte verpfändeten, begann der Zerfall der deutschen Besiedlung von Unterkrain. Absplitterungen im Norden, wo Reifnitz, 1415 mit einer deutschen Schule genannt, wo Ortsnamen wie Deutschdorf, Neustift usw. vorkommen, von der Umgebung aufgesaugt wird; im Süden, wo die Herrschaft Kostel in den Türkenkriegen verlorengeht, eine Landschaft, in deren Urbaren (1573, 1574) trotz der von Beginn an stark gemischten Besiedlung deutsche Familiennamen reich vertreten sind.

Schweres Leid brachten die Türkeneinfälle über das Land. Schon beim ersten Raubzug, 1469, verbrannten sie den Hauptort, 1471 fielen sie dreimal ein, 1.476 und 1477 je zweimal; 1480 plünderten sie, der schwerste Einfall erfolgte 1491. Auch die Jahre 1522, 1528, 1530, 1540, 1546, 1557, 1558, 1559, 1584, 1598 sahen die Türken im Land. Siebenmal zündeten sie die Stadt Gottschee an, aus Krain verschleppten sie 1471 rund 40.000 Menschen, 1475 brannten sie 200 Dörfer nieder und verschleppten 20.000 Bewohner. Einigermaßen Schutz boten die Tabore, Befestigungen, in der Regel um die Kirche angelegt, vor allem aber die Warnfeuer, die ab 1522 von den Bergen (über den Spahaberg bei Preriegel bis zum Schweineberg) die drohende Gefahr kündeten; auch Wälder wurden mit Schlägerungsverbot belegt. Die Gottscheer waren damals „des Landes Chrain Warnung und gleichsam Schildwach“ (Valvasor).

Was für eine Zeit! Ständig drohte der mordende, plündernde Türke, der Kaiser verlangte Geld für die Abwehr, die Grundherren versuchten, es aus den Untertanen herauszupres- sen, Robot zum Anlegen von Sperren (Gottscheer kamen dabei bis in die Gegend von 0gulin) , ständiger Wachdienst bei den Kreithfeuern, was Wunder, daß das Faß übervoll war: 1515 erschlugen die Bauern ihren Herrn Thurn und dessen Pfleger Stersen, der Aufstand breitete sich von hier über ganz Krain aus.

Auch die Reformation fand bis nach Gottschee, und Stadtpfarrer Leonhard Zieglfest nahm die Schwester des Stadtrichters Philipp Schweiger zur Ehegemahlin. . .

Die Grafen von Blagay, 1512 aus Slunj-Karlstadt vor den Türken geflohen, wurden 1547 Pfandinhaber der Herrschaft Gottschee. Graf Franz steigerte den Wert der Herrschaft durch kluge Wirtschaft: 25 neue Dörfer entstanden im NO entlang des Hornwaldes, der Neuberg bei Tschermoschnitz wurde mit Reben bepflanzt. Und das Urbar von 1574 verzeichnete 136 deutsche Dörfer und Weiler, in denen 1400 vollberechtigte Bauernfamilien, 30 Halbhübler, 14 Viertelhübler und 133 Keuschler wohnten, vielleicht rund 8000 Menschen. Graf Franz war der zweite Kolonisator von Gottschee. Am Rande sei erwähnt, daß in den Schreibstuben der Blagay kroatische Schreiber saßen, daß in der Folge in Gottschee Namen mit der Endung auf -itsch auftauchen (z. B. Michitsch, Jaklitsch).

Ein kurzes Zwischenspiel boten die Freiherren von Khysel (1619); ihnen folgten die Auersperge 1641, seit 20. März 1792 Her- zöge von Gottschee.

Die Unruhen des 17. Jahrhunderts (Dreißigjähriger Krieg, Glaubenskämpfe) scheinen unser Land nicht sonderlich berührt zu haben. Diese Feststellungen dürfen wir auch aus der Tatsache folgern, daß viele der Bildstöcke („Pillain“) aus dem 18. Jahrhundert stammen. Aus dieser Zeit, u. zw. aus dem Jahre 1745, haben wir auch eine exakte Angabe über die Bevölkerung: fünf Pfarren werden auf dem Gebiete der Sprachinsel aufgezählt, u. zw. Gott- schee (3250 Einwohner), Rieg (1562 E.), Mösel (910 E.), Nesseltal (1665 E.) und Tschermoschnitz (1692 E.), also insgesamt 9079 Einwohner; und eine Niederschrift aus dem Jahre 1770 läßt erkennen, daß die Innenkolonisation weiter fortgeschritten ist, denn der Ostsaum der Sprachinsel (u. a. auch Maierle) wurde besiedelt, ebenso deren Nordosten. Wenige neue Siedlungsstätten erstehen am Westfuß des Hornwaldes, im Suchener Hochtal nur Suchen und Merleinsrauth. Die nächste Siedlungsphase endet um 1825, mit ihr ist aber die Aufnahmsfähigkeit des Gottscheer Bodens restlos erschöpft. Wohin also mit den Menschen?

Inzwischen fegte der Sturmwind der Französischen Revolution, vor allem in der Kriegsfurie der Napoleonischen Heere, über Europa. 1797 errichten südlich des Schweineberges 2892 qottscheer, 833 Reifnitzer und 565 Kostler fünf Befestigungsanlagen, sie wurden von den Franzosen 1809 durchbrochen. Am 7. Juli legte Napoleon Krain eine Kriegskontribution von 15,260.000 Franken auf, deren erste Rate (2,000.000) nach drei Monaten fällig war. Da das Land dies nicht leisten konnte, führten die Behörden 20 angesehene Bürger Krains (unter ihnen Graf Alexander Auersperg) auf die Festung PaIrnanova. Darauf- hin rotteten sich am 10. September 600 Gottscheer zusammen1 der Aufstand wurde zwar eingedämmt, aber am 8. Oktober überfielen die Aufständischen die französischen Garnisonen in der Stadt Gottschee und in Möttling. Diese Unruhen, bei denen es auf beiden Seiten Tote gab, breiteten sich über ganz Krain aus und veranlaßten die Besatzungsmacht zu rücksichtslosem Eingreifen. Die Stadt Gottschee wurde vom 16. bis 18. Oktober zur Plünderung durch die Soldaten „freigegeben“ (welches Leid verbirgt sich dahinter!) und die Rädelsführer Johann Jonke (Gottschee), Matthias Dulzer und Georg Eisenzopf (Malgern), Johann Erker (Windischdorf) u. a. wurden am 18. Oktober 1809 standrechtlich hingerichtet. Trotz allem beruhigte sich das Ländchen erst, nachdem die Freilassung der Geiseln erfolgte (8. November 1809).

Die Illyrischen Provinzen (Teile von Kärnten und Osttirol, Krain) existierten als Bestandteil des Kaiserreiches von Napoleon I. nur vom 14. Oktober 1809 bis zur Völkerschlacht bei Leip- zig (16. bis 19. Oktober 1813). Dieses Zwischenspiel genügte jedoch, den Nationalismus zu entfachen1 er erlebte den ersten großen Ausbruch 1848 und endete nicht, bis der letzte Deutsch- stämmige assimiliert oder vertrieben war (Dr. Podlipnig). In dieser Richtung zielte auch die durch kaiserliches Patent 1851 erlas- sene neue Verwaltungseinteilung des Gottscheer Ländchens: ein Teil des Waldens (mit Langenton) kam zu Seisenberg, die Moschnitze zu Rudolfswert, Masern zu Reifnitz und Stockendorf zu Tschernembl. Der Wahlbezirk Gottschee, der alle deutschsprachigen Gemeinden vereinte, um einen eigenen Delegierten in den Reichsrat zu entsenden, war ein später und schwacher Ersatz dafür. Der Delegierte war übrigens (1907) Fürst Karl von Auersperg.

In der Stadt Gottschee bestand schon im 17. Jahrhundert eine gut besuchte Schule, 1818 wurde die öffentliche Schule in Altlag, 1819 jene in Mitterdorf gegründet, es folgten weiter Eröffnungen, die Periode vor dem Erlassen des Reichsvolksschulgesetzes schloß Ebental1863 ab. Nach dem 14. Mai 1869 kamen kleinere Orte an die Reihe. Nicht zu übersehen sind die Eröffnung des Untergymnasiums in der Stadt Gottschee (1872) und der Fachschule (1882).

Die kurze Zeit zwischen 1860 und 1880 bedeutete den Höhe- punkt der Entwicklung des Gottscheer Ländchens. Im Jahre 1857 zählte man 898 Pferde, 5086 Schafe, 4261 Ziegen, 5728 Schweine und 12.829 Stück Vieh. Der Höchststand der Einwohner ist 1867 mit 25.916 erreicht. Dann beginnt ab 1880 der rasche Rückgang (19.790) mit der Auswanderungswelle, im Jahre 1921 leben noch 12.680 Gottscheer in der alten Heimat, und im Jahre 1938 waren 22 Prozent der insgesamt 4586 Häuser schon unbewohnt.

Die Überzeugung des Gottscheers, in die Welt hinaus zu müssen, da ihm die Heimat bei allem Fleiße nur ein kümmerliches Dasein gewähren könne, brachte eine geistige Umorientierung mit sich. 1835 wagten die ersten drei Gottscheer aus der Moschnitze den Weg über das Meer, es fdlgten weitere. Sicher, verheiratete Väter kehrten wieder zurück ging es ihnen doch in erster Linie darum, Geld für die Erhaltung des Hofes zu verdienen. Die Jungen, Ledigen aber bauten sich in der Ferne ihre Existenz auf, und ab 1885 hatte sich die Zielrichtung geändert: man fuhr in die Neue Welt und – blieb dort. Dabei verfielen die Häuser daheim, die Landwirtschaft blieb zurück, denn die Alten konnten es nicht mehr schaffen, es entwickelte sich eine Art „Rentnerbauerntum“: der Zuschuß aus den Staaten ließ die Daheimgebliebenen einigermaßen leben, ohne die Möglichkeiten, die das Land bot, ganz auszuschöpfen. Im April 1905 zählte man schon 5059 Ausgewanderte, und 1913 lag bereits ein Drittel

der Äcker brach. Als Beispiel dafür, wie die Dörfer starben, möge Altfriesach stehen: 1870 sind 30 Häuser bewohnt, 1935 noch 18! Der Erste Weltkrieg unterbrach den Auswandererstrom; trotzdem lebten 1919 schon rund 20.000 Gottscheer in Amerika.

Ich zitiere Dr. Viktor Michitsch (Gottscheer Zeitung. vom Dezember 1973, Seite 11, Beilage 56):

Eine Bestandsaufnahme um diese Zeit ergibt: Geschlossener deutscher Siedlungsraum von 860 km2, ohne slowenische Enklaven, mit natürlichen Grenzen. Das Land gehörte zu drei politischen Bezirken, umfaßte fünf Gerichtsbezirke, 25 deutsche politische Gemeinden, 42 Katastralgemeinden und war ein Reichsratswahlkreis. Die Seelsorge wurde über 17 deutsche Pfarreien ausgeübt. Die Stadt Gottschee hatte ein deutsches Vollgymnasium, besaß ein deutsches Studentenheim (21. Mai 1909 gekauft), eine deutsche Bürgerschule, eine Holzfachschule, eine Gewerbliche Fortbildungssschule, das deutsche Stiftungshaus der Maria Stampfl in Prag (Waisenhaus), zwei Kindergärten, Turnverein, Gesangsverein, Theaterverein, Handwerksverein, eine deutsche Bibliothek, einen deutschen Lehrerverein, 20 Schulvereinsortsgruppen (1880 gegründet), 22 Südmarkortsgruppen (1893 gegrün- det) und eine Filiale der alten Landwirtschaftsgenossenschaft von Krain. Über das Land verstreut waren 33 deutsche Volksschulen mit 65 Klassen (keine einzige slowenische Volksschule) und zwei deutsche Kindergärten. Es amtierte seit 1891 ein deutscher Schulinspektor. 60 deutsche Lehrer unterrichteten. Die 25 deutschen Feuerwehren des Landes bildeten einen Gauverband. An Finanzinstituten waren eine Sparkasse und zwölf Raifteisenkassen vorhanden. Pressemäßig wurde der Gottscheer durch die Schrift „Der Landwirt“, die periodische Schrift „Der Gottscheer Bote“, in der Folge durch die „Gottscheer Nachrichten“ und die „Gottscheer Zei- tung“, welche heute noch erscheint, versorgt,. weiters durch den seit dem Jahre 1921 erscheinenden „Gottscheer Kalender“.

Es verwundert daher nicht, daß der „Gottscheer Volksrat“, 1906 analog jenen im Buchenland, in Galizien usw. gegründet, „um die nationalen Belange Gottschees zu wahren“, den Versuch initiierte, eine „Deutsche Republik Gottschee“ unter dem Patronat der USA zu gründen, wobei darauf hingewiesen wurde, daß z. B. der größte europäische Zwergstaat, Andorra, um die Hälfte kleiner sei als Gottschee. Zugleich bemühte man sich auch um den Anschluß von Gottschee an die Republik Deutschösterreich. Beide Versuche scheiterten; nichtsdestoweniger erklärte er am 19. März 1919 im Namen der Gottscheer dem neuen Staate deren Loyalität.

Der Staat der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS) konstituierte sich am 1. Dezember 1918. Er trat dem Friedensvertrag mit Osterreich, geschlossen am 10. September 1919, am 5. Dezember jenes Jahres bei. Im Artikel 51 dieses Vertrages und im Artikel 44 des Friedensvertrages mit Ungarn hatte sich das Königreich SHS Minderheitenschutzbestimmungen auferlegt, sie wurden am 29. November 1920 unter die Garantie des Völkerbundes gestellt. Der Staat verpflichtete sich, allen seine Einwohnern ohne Unterschied der Geburt, Sprache, Rasse und Religion den Schutz von Leben und Freiheit zu gewähren. Der materiell- rechtliche Charakter dieser Verträge war äußerst unzulänglich; da sie überdies auch eine Klagelegitation der Minderheit nicht kennen, die Minderheit somit gar nicht gleichberechtigte Streitpartei vor einem Schiedsgericht sein kann, war alles mehr eine Fiktion. Einige wahllos herausgegriffene Tatsachen mögen diese Behauptung illustrieren: Mit 31. Dezember 1918 wurden die deutschstämmigen Staatsbeamten zum großen Teil entlassen, das deutsche Gymnasium in der Stadt wurde, wie auch die anderen Schulen daselbst, in slowenische Anstalten umgewandelt, der Leseverein, der Lehrerverein, der Ein – und Verkaufsverein und der Vogelschutz- verein wurden aufgelöst und deren Vermögen eingezogen. Die deutschen Ortsnamen durften vorerst in der Klammer hinter den slowenischen angeführt werden (31. Oktober 1918), wurden aber dann (Juni 1924) verboten. Vor den Behörden war nur die Staatssprache zugelassen, der ihrer unkundig war, hatte sich auf eigene Kosten einen Dolmetsch zu besorgen. Und auf eine Fälschung der Matriken schlechthin lief der Erlaß von 1935 hinaus, der anordnete, die slowenische Schreibung der Vornamen (diese wurden nämlich grundsätzlich slawisiert) habe rückwirkend ab 1929 zu erfolgen!

Besonders der Schule galt der Kampf. Schon 1922 war der bei Kriegsende vorhandene Bestand gravierend geändert, denn 33 Lehrer waren entlassen, pensioniert oder nach Osterreich verzogen, da sie den Zwängen des neuen Staates nicht gewachsen waren. Nur in 16 dieser o. a. Schulen durften deutsche Nebenklassen geführt werden. Die berüchtigte Namensanalyse tat ein übriges: unter dem Vorwand, „Germanisierte“ müßten ihrem slawischen Volkstum wieder zugeführt werden, wurden die Familiennamen willkürlich einer Analyse unterworfen. In der Folge gelang es auch vortrefflich, die ministerielle Verordnung vom Ende des Monats Jänner 1931 zu unterlaufen, die im § 45 bestimmte, daß in Orten mit Staatsangehörigen einer anderen Sprache für diese Volksschulabteilung zu errichten sind, wenn zumindest 30 Kinder (in Ausnahmefällen 25) gezählt werden.

So füllten sich die slowenischen Schulklassen, und 1935 waren bereits 1100 Gottscheer Kinder ohne Unterricht in der deutschen Muttersprache, nur 226 Kinder genossen diesen noch. Daß die Gottscheer dies nicht tatenlos hinnahmen, davon zeugt der „Schulaufstand“ in Stockendorf (16. Jänner 1926). Aber im Jahre 1939 wurde der letzte deutsche Lehrer aus der Sprachinsel versetzt!

Und die stille, dann aber forcierte Einwanderung von Beamten, Lehrern, Pfarrern, Straßenwärtern usw. ins Ländchen sollte dazu beitragen, die Minderheit aus ihrem Lebensraum zu ver- drängen. Daß die Gottscheer mit der ,,600 Jahr-Feier“ im Jahre 1930 noch einmal nachhaltig in Erscheinung traten, mag auf den ungeheuren Selbstbehauptungswillen dieses Sprachinselvolkes zurückzuführen sein, sicher aber auch auf die geistige Einflußnahme bedeutender Persönlichkeiten, wie Dr. Hans Arko, Rechtsanwalt in der Stadt Gottschee, und Geistlicher Rat Josef Eppich, Pfarrer von Mitterdorf bei Gottschee, die es vorzüglich verstanden, alle willigen Kräfte in der Volksgruppe zur gemeinsamen Arbeit anzuspornen. Anstelle der aufgelösten Parteien (Christlich-sozialer Bauernbund und Liberale Bauernpartei) gründeten diese bereits 1919 die Gottscheer Bauernpartei. Über die Bauernpartei arbeiteten die Gottscheer seit 1922 in der Partei der Deutschen im Staate SHS mit und konnten so Verbindun- gen mit dem Deutschtum in Slowenien, ja dem gesamten König- reiche, anknüpfen, insbesondere auch, da Dr. Arko im Hauptausschuß tätig war, Pfarrer Eppich aber im Hauptausschuß des „Politischen und wirtschaftlichen Vereins der Deutschen in Slowenien“. Zwar waren die Gottscheer stimmenmäßig zu schwach, um einen eigenen Kandidaten durchzubringen, durch geschicktes Zusammengehen mit ihnen wohlgesinnten Parteien gelang es, Pfarrer Eppich in den slowenischen Gebietsaus- schuß zu wählen und für die Volksgruppe gewisse Erleichterun- gen zu erreichen. Als am 6. Jänner 1929 alle Parteien, die auf der Basis der Nationalität beruhten, aufgelöst wurden, konnten die Gottscheer Dr. Arko als Obmannstellvertreter des Bezirksausschusses der einzig zugelassenen Staatspartei durchsetzen.

Und wie notwendig war jede noch so kleine Minderung des Druckes auf das Volkstum! Im Jahre 1924 zählte die Stadt rund 3500 Einwohner, davon gut zwei drittel Deutschstämmige. Trotzdem waren die slowenischen Gemeinderäte mit 15 gegen die 10 deutschsprachigen in der Mehrheit, also der Bürgermeister ein Slowene. Und als sich am 30. März 1926 das Ausschußmitglied der Stadtgemeinde, Alois Kresse, in einer Wirtschaftsangelegenheit namens der Gottscheer zu Wort meldete, wurde ihm dieses entzogen, da er der Staatssprache nicht mächtig war!

Zwar fand am 20. Juni 1920 in Neusatz die Gründungsversammlung des „Schwäbisch-deutschen Kulturbundes“ statt, und Dr. Hans Arko wurde in den Hauptausschuß übernommen, aber erst 1922 konnte in der Stadt Gottschee (und dies auch nur für eine ganz kurze Zeit) eine Ortsgruppe gegründet werden. Die Satzungen wurden 1931 für das ganze Königreich genehmigt, von der Stadt Gottschee ausgehend, entstanden wieder Ortsgruppen. Aber 1934 wurden vom Auerspergschen Forstbesitz mehr als zwei Drittel enteignet. Damals schrieb eine angesehene slowenische Zeitung: „Das letzte Bollwerk der Gottscheer ist gefallen.“ 1937 erschien ein Grundgesetz, das es den Gottscheern unmöglich machte, Grund und Boden zu erwerben, denn sie wurden als jugoslawische Staatsbürger deutscher Nationalität Ausländern gleichgestellt. Trotzdem waren nach einer privaten Zählung im Jahre 1941 von den 840 km2 des Bodens der Gottscheer Sprachinsel immer noch 547 km2 in den Händen der Gottscheer Waldbauern, 63 km2 Gottscheer Gemeindebesitz, 176 km2 enteigneter deutscher Waldbesitz und nur 53 km2, d. s. etwas mehr als 6 Prozent, slowenischer Zwergbeuernbesitz. Zwar fehlte es nicht an positiven Stimmen; so wies z. B. Banus Dr. Putz am 14. April 1935 anläßlich eines Besuches in Gottschee darauf hin, daß auf diesem Flecken schon Jahrhunderte zwei Völker ohne größere Reibungen nebeneinander leben. Und die Antwort: Am 10. Juli 1935 wurde das Kulturbund- heim in Mitterdorf eröffnet, die Teilnehmer am offiziell genehmigten Fackelzug wurden von slowenischen Extremisten tätlich angegriffen. Und Banus Dr. Natlacen erklärte 1936 in Gottschee: „Nach Gottschee sind wir um 20 Jahre zu spät gekommen.“

1936 wurden die Vertreter der Gottscheer wieder bei den slowenischen Behörden in Laibach vorstellig, um auf die beklagenswerten Zustände hinzuweisen; diese reagierten mit dem Hinweis auf die Lage der Slowenen in Kärnten. Pfarrer Eppich und Dr. Arko sprachen nunmehr in Klagenfurt beim Landeshauptmann vor, wobei die Forderungen der Kärntner Slowenen „besprochen und deren Erfüllung auf Grund der Gegenseitigkeit. . .“ zugesagt wurde. Die Banschaftsverwaltung in Laibach hingegen verweigerte eine Unterredung darüber mit der Begründung, dafür nicht zuständig zu sein.

Rechtsunsicherheit, Ermessensmißbrauch durch die Behörden, die in Gesetzen und Verordnungen aufscheinende Absicht, die Gottscheer als Minderheit aus ihrem Lebensbereich zu verdrängen und sie wo immer zu diskriminieren, kennzeichnen jene Zeit. Was Wunder, daß sich der Gottscheer seiner eigenen Kräfte bewußt wurde?

Den Anstoß zur wirtschaftlichen Selbsthilfe gab der Student der Philologie aus Freiburg i. Br. Volker Dick, der seine Studien in Gottschee an Ort und Stelle intensivieren wollte, hier aber erkannte, daß ein Volk im Vergehen war. Von dem Gedan- ken besessen, zu helfen, änderte er sein Studienziel, er wurde Volkswirt. Sein Plan zur „Sanierung der Gottscheer Wirtschaft dürfte zweifellos der fundamentalste Beitrag von Entwicklungshilfe gewesen sein, der je in einem volksdeutschen Gebiet geleitet worden ist“ (Dr. Podlipnig). Dazu muß vermerkt werden, daß er aus der Deutschen Jugendbewegung kam (eine Organisation, die mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun hatte) und nicht im Auftrag des Deutschen Reiches arbeitete.

Sein Vorhabenging dahin, die Landwirtschaft zu modernisieren, d. h. Tierrassen auszuwählen und moderne Grundlagen für die Tierhaltung zu schaffen, Feldfrüchte auf ihren Ertrag hin zu überprüfen, Absatzmöglichkeiten für Milch und überhaupt die landwirtschaftlichen Produkte zu schaffen, das Gebiet als Fremdenverkehrsland attraktiv zu machen. Das nötige Geld sollte (nach einem Gedanken von Dr. Arko) durch die Hausierer im Deutschen Reich hereingebracht werden. Die Verwirklichung dieser Pläne war für 1943 – 44 vorgesehen, aber die jugoslawischen Behörden haben 1936 Dr. Dick und Ing. Neunteufel verhaftet, angehalten und anschließend ausgewiesen. In diesem Jahr wurden auch die Ortsgruppen des Kulturbundes wieder verboten.

Wegen seiner „Verbindung“ zu Dr. Dick wurde Dr. Hans Arko von den jugoslawischen Behörden nicht mehr als integer angesehen; auf diese Art halfen sie eigentlich, daß sich die Gottscheer Volksgruppe der „jungen Führung“, die sich um Willi Lampeter geschart hatte und hinter der ein Großteil der Jugend stand (Generationsproblem), anschloß; im November 1938 trat Arko zurück, und auch Pfarrer Eppich übergab die „Gottscheer Zeitung“ in jüngere Hände.

Dann brach der Krieg aus. Um Ereignissen vorzubeugen, wie sie die „Bromberger Blutnacht“ gebracht hatte, wurde die „Mannschaft“ als Selbstschutzorganisation aufgestellt. In Blitzkriegen überrannten unterdessen die Truppen des Deutschen Reiches große Teile von Europa. Der Balkanfeldzug begann am 6. April 1941, die Armee.Jugoslawiens kapitulierte am 17. April 1941, und der Staat wurde auf das Deutsche Reich, Italien und Ungarn aufgeteilt. Was hellsichtige Realisten unter den Gott- scheern befürchteten, trat ein: das Ländchen fiel mit der Provincia di Lubiana an das Kaiserreich Italien! Es zeigte sich, daß die Vorsprache der Gottscheer am 6. November 1939 beim Deutschen Konsul in Laibach, bei der sie anführten, die Tatsache, daß Gottschee in die italienische Interessensphäre falle, sei kein Argument für die Aussiedlung, vollkommen nutzlos gewesen war, denn für die außenpolitischen Entscheidungen waren die Weichen mit dem Runderlaß von Ribbentrop (25. März 1939) und der Rede Hitlers vor dem Reichstag (6. Oktober 1939) bereits gestellt: im Adria- und im Mittelmeerraum hatte die Haltung des Reiches auf die Wünsche der italienischen Regierung Rücksicht zu nehmen.

Bei den Wiener Verhandlungen (20. bis 22. April 1941) wurde das ehemalige Kronland Krain zwischen dem Deutschen Reich und Italien aufgeteilt. Himmler verkündete der Gottscheer Führung am 20. April 1941, daß sich die Gottscheer an der Südostgrenze des Reiches zu bewähren haben werden. Inzwischen hatte Prof. Peter Jonke „ein Memorandum verfaßt, hatte Fürst Auersperg in Berlin für den Anschluß von Gottschee an das Reich interveniert; aber als die Volksgruppenführer am 26. April 1941 in Marburg von Hitler empfangen wurden, teilte ihnen dieser mit, daß die Aussiedlung beschlossen sei. Der betroffene Gottscheer war Objekt, Schachfigur geworden und wußte nur, daß er umgesiedelt wird. Ein eigenartiges Schlaglicht auf die Vorgänge wirft die Tatsache, daß die Gottscheer den Umsiedlungsvertrag („Vereinbarung zwischen der deutschen Reichsregierung und der italienischen Regierung vom 31. August 1941 über die Umsiedlung der deutschen Staatsangehörigen und Volksdeutschen aus der Provinz Laibach“) erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit vollem Text erhalten konnten, u. zw. aus einem Londoner Archiv! Auf den vollen Ersatz des Vermögens, der ihnen darin zugesagt wurde, warten sie heute noch.

Langsam sickerten doch Einzelheiten durch, so ungefähr die Lage des Ansiedlungsgebietes (Fachausdruck „Ranner Dreieck“) und die Tatsache, daß dort Slowenen ausgesiedelt würden; die Folge war massiver Widerstand. Da die Volksgruppenführung nicht Stellung bezog, setzte eine straff organisierte Propaganda der deutschen Dienststellen ein: Beschimpfungen der „Gegner“, Drohungen mit der Absiedlung nach Sizilien oder gar Abessinien, Beteuerungen (Dr. Wollert), daß alles in Ordnung ablaufen werde. Und die italienischen Behörden bewiesen in diesen kritischen Tagen wenig Taktgefühl, denn deutsche Aufschriften mußten entfernt werden, neben dem Italienischen wurde das Slowenische Amtssprache, willkürliche Hausdurchsuchungen waren an der Tagesordnung, wobei Besitzer von z. B. alten Vorderladern vor dem Standgericht nur durch massive Int- ervention der Gottscheer Geistlichkeit bewahrt werden konnten. Dazu kamen die ersten Aktivitäten der Partisanen.

Letzten Endes optierten offiziell 12.093 Gottscheer, zur Erledigung der Formalitäten erschienen 11.818. Im November 1941 begann der Abtransport mit der Eisenbahn, die Züge bestanden aus Personen-, Viehtransport-, Geräte- und Mobiliarwagen. Im Ansiedlungsgebiet gab es drei größere Endstationen:

in Rann trafen 5431 Personen ein, in Lichtenwald 1583 und in Gurkfeld 4154, insgesamt also 11.114. Laut Statistik gab es 511 A- Fälle (Ansiedlung, da „unzuverlässig“, im Alt-Reich), wurden 66 Optanten abgelehnt und blieben letziich rund 380 Gottscheer in der Heimat; diese wurden fast alle 1945 nach Osterreich aus- gewiesen.

Die Enttäuschung, die die Umsiedler im Ansiedlungsgebiet erwarteten, sind kaum zu beschreiben. Wo war der „gleichwertige Ersatz des Zurückgelassenen“, wo die „geschlossene Ansiedlung“, wo die Heimat? Aber es gab niemanden, der für

Beschwerden zuständig war. Als sich Lampeter direkt an Himmler wendet und die Mißstände anprangert, wird er (am 16. Jänner 1942) abgesetzt, mit ihm, und das ist bezeichnend für die Art, mit der die deutschen Dienststellen das Problem der Gottscheer Umsiedler lösen wollten, alle der „Mannschaft“ vorstehenden Sturmführer. Um die Angesiedelten nicht völlig zu verwirren, wurde der zweite Teil der Maßnahmen rückgängig gemacht; Lampeter jedoch blieb abgesetzt.

So übte der Gottscheer passiven Widerstand, indem er das ihm zugewiesene Haus nicht annahm, er sich, der bisher selbständige Bauer, als Arbeitnehmer bei der DAG (Deutsche Ansiedlungs-Treuhandgesellschaft) verdingte, um am Unrecht nicht mitschuldig zu sein.

Dann vermerkt die Geschichte die ersten nächtlichen Angriffe von Partisanentrupps auf einzelne Gehöfte und Siedlungen, es erfolgte der verantwortungslose Einsatz der „Mannschaft“, nunmehr „Wehrmannschaft“ genannt, gegen geschulte Einzelkämpfer. Und die Bombergeschwader der Alliierten, die schon längere Zeit ihre Bahnen nach Norden zogen, ließen am 6. April 1944 die ersten Bomben über dem Ranner Dreieck fallen. Was arbeitsfähig und noch nicht in Uniform war, wurde zum Bau von Schützenlöchern, Panzergräben und anderen Hindernissen eingesetzt. Zwar ließen die Behörden zu Beginn des Jahres 1945 verlautbaren, daß jeder Vorbereitungen zur Flucht zu treffen habe, aber der Befehl zum Abmarsch der Trecks kam aus Graz erst am 8. Mai 1945. Auf den Straßen, die mit sich zurückziehen- den Soldaten und Flüchtlingen aus dem tieferen Südosten verstopft waren, kamen die Pferdefuhrwerke nur langsam vorwärts. Bald beherrschten Partisanen die Rückzugsstraßen, wiederholte „Kontrollen“ des Gepäcks fanden statt, mit dem, was sie auf dem Leibe hatten, wurden die Gottscheer von Lager zu Lager getrieben, unter denen Sterntal traurigen Ruhm besaß. Es wurde im Oktober 1945 über Einspruch des Internationalen Roten Kreuzes geschlossen.

Die Uberlebenden dieser Apokalypse fanden sich nach und nach in den Auffanglagern Osterreichs ein.

Der rasch einsetzenden Hilfe der Gottscheer in Amerika, deren Vereine sich 1945 zum .Gottscheer Hilfswerk zusammenschlossen, das den Status einer karitativen Organisation 1946 erhalten hatte, die zur Direkthilfe berechtigt war, verdanken es viele der Flüchtlinge, daß sie die ersten Hungerzeiten überlebten. Dann setzte die weitere Wanderung ein: in die Bundesrepublik und nach Obersee.

In Osterreich betreuten ab 1952 die Hilfsvereine (später in Landsmannschaften umgewandelt) die Landsleute; sie wurden auch Träger kultureller Tätigkeit, wie die Wiedergründung der .Gottscheer Zeitung 1955 in Klagenfurt beweist.

Nach der Befreiung baute man ein groß dimensioniertes Idealmodell sozialistischer Landwirtschaft, wobei Neuansiedlung nicht erlaubt war. Es ist nicht alles gelungen, denn der Karst verbietet großflächige Planung.

Saisonarbeiter, die mehr von Versprechungen und Erwartungen als vom Ertrag ihrer eigenen Arbeit lebten, trugen zur Bevölkerungsfluktuation bei, man baute die Stadt auf, aber das Land blieb tot und verfiel: Hausruinen lieferten das Baumaterial für Jagdhütten, an dem Feuer aus so manchem hölzernen Bildstock wärmten sich Arbeiter auf, und die große Veränderung trat ein, die man erst viele Jahre später bemerkte – der Wald drang unaufhaltsam vor, er hat heute bereits ein Drittel der gesamten Fläche des Ländchens zurückerobert. 600 Jahre lebten Gottscheer in diesem Land, die heutige Bevölkerung hat mit ihnen nichts mehr gemeinsam. Nur manche Alte, die in der Abgeschiedenheit auf ihr Ende warten, erinnern sich vielleicht noch ihrer.

Der kleine Mann ist zwar niemals schuldig, erfährt aber die Folgen der geänderten Verhältnisse stets unmittelbar…

Print-Version: Heimat Gottschee

Quellenangaben:

LUDWIG KREN, Maria Rain, Kärnten
650 Jahre Gottschee, Festschrift 1980, S 143 – 165,
Eigenverlag GLM Klagenfurt,
Klagenfurt 1980