Der Film "Gottscheabar Lont - Das verlorene Kulturerbe"

Ein Film von Hermann Leustik und Uros Zavodnik.

 

Am Anfang war nur eine Idee

 

Hermann Leustik, der Produzent des Filmes, war 45 Jahre als Medienexperte an der Universität Klagenfurt in Österreich tätig. Seit 1972 hat er im institutseigenen Videostudio an einer Vielzahl von Film-Produktionen mitgearbeitet und als Lehrender am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft mit Studierenden viele Filmprojekte realisiert. Seit einigen Jahren hat er sich mit der Idee beschäftigt, einen eigenen Kinofilm zu drehen.

Er ist Gottscheer Abstammung und wollte einen Film über die Heimat seiner Eltern, über die deutsche Sprachinsel „Gottschee“, drehen. Diese Sprachinsel, die über 600 Jahre bestanden hat und erstmals um 1300 besiedelt wurde, liegt 60 km südlich von Sloweniens Hauptstadt Ljubljana, direkt an der kroatischen Grenze.

 

Der Beginn der Gottscheer Kultur

 

Am Beginn der Besiedelung war das 850 km2 große Gebiet menschenleer und Urwald. Die Grafen von Ortenburg, ein Adelsgeschlecht aus Oberkärnten in Österreich, hatten dieses Gebiet vom Patriarchen von Aquileia (Italien) als Lehen erhalten. Sie siedelten Bewohner aus Oberkärnten und Osttirol in diesem Gebiet an. Diese rodeten und kultivierten das karge Land, ein Karstgebiet und erbauten mehr als 150 Dörfer. Im Laufe der Jahrhunderte hatten diese Siedler viele Schicksalsschläge, wie Türkeneinfälle,  die Pest und die Franzosenkriege zu ertragen. Um ein Leben in diesem Gebiet auf Dauer zu ermöglichen, hatte Kaiser Friedrich III im Jahre 1492 das Hausierpatent erlassen. Dieses erlaubte den Gottscheern den Hausierhandel mit eigenen erzeugten Waren und Südfrüchten im gesamten Habsburgerreich. Um 1870 setzte eine starke Auswanderungswelle nach Amerika ein, da das karge Land die stark wachsende Bevölkerung nicht mehr ernähren konnte. Bereits ab 1900 wurden in Amerika die ersten Gottscheer Vereine gegründet und um 1920 lebten bereits mehr Gottscheer in den USA als in der Heimat Gottschee selbst.

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und der damit verbundenen Neuaufteilung von Europa begannen für die Gottscheer im neuen slawischen SHS-Staat Jugoslawien harte Zeiten. Die deutsche Sprache wurde verboten, alle deutschsprechenden Beamten wurden entlassen, deutsche Schulen geschlossen, deutsche Vereine aufgelöst und deren Vermögen konfisziert u.a.

Der Zweite Weltkrieg brachte dann das endgültige Ende des Gottscheer Lands. Aufgrund eines Vertrages zwischen Hitler und Mussolini wurden im Winter 1941/1942 alle Gottscheer (ca. 14.000 Personen) in die 70 km östlich von Gottschee gelegene Untersteiermark umgesiedelt.

Mit Ende des Krieges wurden die Gottscheer von dort vertrieben. Sie flüchteten nach Österreich, von wo aus die meisten ab dem Jahr 1949 nach Nordamerika und auch in andere Kontinente auswanderten. Heute ist der Großteil der Ortschaften im ehemaligen Gottschee nicht mehr vorhanden und wenn, dann nur als Ruinen. Fast nichts erinnert mehr an die ehemaligen deutschen Bewohner.

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Eine Besonderheit der Gottscheer ist ihre Sprache

Das Besondere an den Gottscheern ist ihre Sprache. Sie haben ihr “Gottscheabarisch”, eine Mittelhochdeutsche Sprache, wie man sie im 16. Jahrhundert auch in anderen Gebieten Mitteleuropas gesprochen hat, bis in die heutige Zeit erhalten. Leider sprechen nur mehr wenige Gottscheer diese Sprache, da fast alle Gottscheer, die noch in der alten Heimat geboren wurden, bereits verstorben sind. Deren Kinder haben meist nicht mehr Gottscheerisch mit ihren Eltern gesprochen und somit die Sprache auch nicht erlernt. In naher Zukunft wird sie nur noch in digital konservierter Form verfügbar sein.

Die Poduktionsvorbereitungen

Im Sommer 2013 hat Hermann Leustik den entscheidenden Entschluss gefasst, mit der Produktion des Filmes zu beginnen. Die professionelle Produktion sollte an der Universität Klagenfurt stattfinden und Studierenden sollte die Möglichkeit geboten werden, die Produktion zu begleiten. Erste Aufgabe war, ein Produktionsteam zusammen zu stellen.

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Mit Uros Zavodnik, dem Regisseur dieses Filmes, konnte ein ehemaliger Student des Instituts gewonnen werden, der in Slowenien lebt und seit seinem Studienabschluss sehr erfolgreich in der Filmbranche tätig ist. Durch die Mitarbeit von Uros und seiner besonderen Art des filmischen Komponierens, ist der Film zu dem geworden, was er heute ist.

Es war von Beginn an klar, dass der Film in Gottscheer Sprache erstellt werden sollte und man sah dies als einmalige Gelegenheit, ja sogar als Auftrag, um die Gottscheer Sprache in einem Film zu bewahren. Es gab noch nie einen Film in Gottscheer Sprache, dieser Film sollte der Erste und es wird wohl auch der Letzte sein.

Dazu benötigte es aber noch der Person, die in Gottscheer Sprache durch den Film führt und die Geschichte erzählt. Der Produzent musste nicht lange suchen, Frank Mausser, der Hauptprotagonist, der noch vor der Umsiedlung 1938 im Ort Altlag in Gottschee geboren wurde, hat ihm rasch zugesagt. Frank Mausser spricht fließend Gottscheerisch, ist ein besonderer Kenner des Gottscheer Landes und trägt die Heimat Gottschee in seinem Herzen, was dem Film auch eine besondere Note gibt.

 

Ruinen prägen den Film

Der Film beginnt auf der Burgruine Ortenburg, von wo die Gottscheer abstammen. Der „Großvater“, Frank Mausser, erzählt Pia Maria Lipnik, seiner “Enkelin”, die Geschichte von Gottschee. Von der ersten Besiedelung, von der steten Entwicklung und dem späteren Leben in der geliebten Heimat. Besonders schwer fällt ihm, ihr zu erzählen, dass am Ende alles wieder zu Ruinen geworden ist, aus denen heute Bäume und Sträucher wachsen und vieles bereits vollkommen überwuchert ist.

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Aber er erzählt seiner Enkelin auch, wie es ihm nach Flucht und Vertreibung ergangen und was von den Gottscheern und ihrer Kultur übrig geblieben ist. Dass es viele Gottscheer Vereine in aller Welt gibt, wie sie leben und wie sie versuchen, die Gottscheer Kultur weiter zu pflegen und zu erhalten. In einigen Szenen ist er den Tränen nahe, wenn er z.B. auf dem Friedhof von Altlag über seine Familie und speziell über seine Großeltern erzählt, vor deren Grabstein er steht. Er berichtet, dass er oft seinen Heimatort besucht, aber immer schweren Herzens wieder von dort fortgeht.

Wertvolles Archivmaterial verzögerte die Fertigstellung

Hermann Leustik, dem Produzenten war es gelungen, immer neues Material über die alte Heimat Gottschee zu finden. Und dieses Material musste eingebaut werden, um die Geschichte der Gottscheer zu vervollständigen. Darunter befanden sich alte 16mm Filmrollen. Der Gottscheer Verein in Cleveland/USA hatte 1936 beschlossen, den Priester Josef Trapp für Filmaufnahmen nach Europa zu entsenden, damit der Nachfolgegeneration in den USA gezeigt werden konnte, wie es in Gottschee, der Heimat ihrer Ahnen, aussah. Der Priester bereiste im Juni 1936 fast 40 Gottscheer Ortschaften und filmte Land und Leute. Herbert Fink, einer der Protagonisten, ist im historischen 16mm Film in der Ortschaft Neulag bei der Kegelbahn zu sehen, am selben Ort, wo er dann im Film über seinen Geburtsort spricht. Er ist leider 14 Tage nach der Filmpremiere im Alter von 85 Jahren verstorben.

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Kein Budget für Aufnahmen in Übersee

Ein Film über Gottschee ohne Einbeziehung der Gottscheer in den USA wäre unvollständig, das war allen bewusst. Aber es war kein Budget mehr vorhanden, um mit einem Kamerateam nach Übersee zu fliegen. Durch Zufall bekam Florian Semmler, der Kameramann und Editor des Filmes, für ein Wochenende einen Auftrag in New York. Der Zufall wollte es, dass am selben Wochenende in der Gottscheer Hall der Gottscheer Krankenunterstützungsverein, der älteste Gottscheer Verein in Amerika, seinen Bauernball veranstaltete. Und Florian Semmler besuchte diesen, filmte und interviewte Teilnehmer und kam mit hervorragendem  Videomaterial nach Hause.

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Das Finale

Im Frühjahr 2015 ging die Postproduktion ins Finale. Übersetzungsarbeiten aus mehreren Sprachen ins Gottscheerische standen an und der Ton musste an vielen Stellen synchronisiert werden, da der Film gänzlich in Gottscheer Sprache erstellt werden sollte.

Am Schluss wurden die Untertitel des Filmes erstellt, da die Gottscheer Sprache auch im deutschen Sprachraum nicht von allen gut verstanden wird, ganz zu schweigen im fremdsprachigen Ausland. Aus diesem Grund wurden Versionen des Filmes mit deutschen, englischen und slowenischen Untertiteln erstellt.

Am 19. Juni 2015 wurde das Filmteam für die aufwändige und langwierige Arbeit dann wirklich belohnt. Es hatte zur Filmpremiere in das Wulfenia-Kino in Klagenfurt geladen. Ein halbe Stunde vor Beginn der Premiere waren alle 430 Sitzplatze und auch alle möglichen Stehplätze vergeben. Über 600 Personen konnten die Premiere miterleben, über 100 Personen mussten aus Platzgründen leider abgewiesen werden.

Das Filmteam freut sich über diesen Erfolg.

 

Dokumentarfilm, 59 Minuten, 2015

Die zwei Fotos von der Filmpremiere: Kornelia Wallner

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Quellenangaben:

Hermann Leustik
in: FILM – The MAGAZINE
Festival-Magazin
London International Filmmaker Festival of World Cinema 2018, 11. – 16. Februar 2018
Gottscheer homeland – The lost cultural heritage
Seite 56 – 57 und hintere umschlagseite
London 2018

 

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