aus der Reihe: Gottscheer Flüchtlingsschicksale

Immer wieder auch gute Menschen

von Franz Samide,
aus Tschermoschnitz,

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Es war bitter: die österreichische Grenze hatten wir erreicht, da haben uns die Partisanen zurück nach Tüchern (bei Cilli) getrie­ben. Ich war dann im Lager, mußte kleine Arbeiten verrichten, machte einen Fehler und entschuldigte mich dafür beim Wacht-posten. „Keine Angst“, hat er gesagt, „ich war lange in einem Kriegsgefangenenlager in Italien, habe dort viel Schlimmes erlebt. Ich bin Student, will, sobald der Zauber hier vorbei ist, wieder studieren. Ich bin kein Menschenhasser geworden, will, daß nie mehr Krieg sein wird, möchte helfen, helfen.

Ich war hungrig, da fragte ich einen der Uniformierten im Lager, ob er mir für Socken Brot geben kann. Er sagte, ich soll meinen Rucksack aufmachen. Er stellte ihn auf den Tisch, suchte drinnen herum, es waren ja nur Frauen- und Kinderkleider drinnen, auch viele Fotos. Er hat dann nichts gesagt und ist hinausgegangen. Später habe ich erfahren, daß es einer von den Kommandanten war …

Eines Tages heißt es am Morgen: Antreten! Wir erfahren, wir kommen in ein anderes Lager. Ein Wachtposten sagt mir: „Es kann lange dauern, bis ihr wieder essen werdet.“ Ich habe ihn gebeten, daß ich mit Kameraden in der Kantine Brot zusammenklauben darf. Wir haben dann viel zusammengebracht und konn­ten es unterwegs verteilen. Ja, damals ging es ins furchtbare Lager Sterntal. Dort ist in unserem Raum Typhus ausgebrochen. Wir haben es im Zimmer nicht mehr ausgehalten, haben unsere Sachen zusammengepackt und sind hinaus, obwohl es draußen geregnet hat und Nacht war es auch schon. Der Wachtposten kommt vorbei und fragt; ich berichte. Er geht davon, es dauert nicht lange, da kommt jemand von der Verwaltung, schaut ins Zimmer. Bald sind die Kranken weggebracht, das Zimmer wird desinfiziert. Wir haben es überstanden und waren in einigen Wochen frei …

Einmal war ich mit anderen Kameraden zum Lebensmittelaus-laden eingeteilt; es war eine Fracht mit Zuckersäcken. Selbstver­ständlich haben wir verstohlen etwas in den Mund gesteckt. Da sagt der Wachtposten: „Schau, da ist ein Loch im Sack! Füll dir doch deine Taschen, du hast es notwendig!“ Ich habe gezittert vor Aufregung, oder war es Angst? War das eine Falle? Ich hab es dann doch gemacht und konnte alles in meinem Rucksack unterbringen …

Dann war es soweit: Jeder von uns hat einen kleinen Zettel in der Hand, darauf steht: Nach Deutschland. Offene Waggons, dann Ungarn. Hier werden wir umgepackt, nicht lange, doch Ein-heimische stecken uns Brot und Trauben zu. Über Wiener Neustadt kommen wir dann nach Wien. Von hier aus soll es in ein anderes Lager gehen, ungarische oder slowakische Grenze? Ich will nicht mehr, nehme meinen Rucksack und verlasse den Bahnhof. Eine Bäckerei, wie das riecht. Ich gehe hinein, zeige meinen Ausweis – Heimkehrer – und bitte um Brot; eine Frau kauft es mir, auf ihre Lebensmittelkarten. In Wiener Neustadt habe ich dann Landsleute getroffen, wir sind zu Fuß gegen den Semmering. Vor der Zonengrenze haben wir einen Führer ge­kauft, aber der erste Versuch ist nicht gelungen, erst beim zwei­ten Male hat es geklappt.

Wir waren frei für einen neuen Anfang!

Quellenangaben:

1330 – 1941  Gottschee
Die ehemalige deutsche Sprachinsel
Heft 4 und 5

Bearbeitet von:
Wilhelm Lampeter und Ludwig Kren
Herausgeber:
Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland

Weilheim 1994