aus der Reihe: Gottscheer Flüchtlingsschicksale

Lieber tot als in Titogefangenschaft

von Johann und Anna Wolf,
Reintal,
Ridgewood – New York

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Mein Name ist Hans Wolf. Meine Eltern waren Rudolf und Juliana Wolf, sie sind beide schon gestorben. Die Mutter noch in Reintal, Gottschee und der Vater in Rann.

Eine Schwester, die ist nach Österreich gegangen und hat schon während des Krieges in einem Rüstungswerk gearbeitet. Nach dem Krieg war sie noch ein paar Jahre dort und dann ist sie nach Australien ausgewandert. Sie ist jetzt noch dort, aber gerade zur Zeit ist sie auch hier in Klagenfurt, und wir haben uns gestern schon getroffen. Sie war von Australien schon zweimal hier, das ist also das dritte Mal und sie waren auch schon in Amerika bei mir für einige Wochen.

Brüder haben Sie auch?

Brüder habe ich 5 gehabt. Einer war bei der Waffen-SS, der ist in Finnland gefallen und der andere ist beim jugoslawischen Militär kaputt gegangen. Weil er ein Deutscher war, haben sie ihn mißhandelt. Er war krank und es hat ihn niemand angeschaut. Rippenfellentzündung, und die haben ihn nicht ins Spital ge­bracht. Erst als es schon zu spät war, haben sie ihn doch rein ins Spital, aber sie haben nichts mehr gemacht. Nach ein paar Monaten haben sie ihn heimgeschickt, sie könnten nichts machen. Wir haben ihn dann nach Laibach ins Krankenhaus gebracht und dort haben sie ihn mehrmals operiert, aber es war schon zu spät. Er ist nochmals nach Hause gekommen, aber wir mußten ihn noch während der Umsiedlung ins Landeskrankenhaus nach Graz bringen, dort ist er dann gestorben, es war zu spät.

Nun Herr Wolf, gingen Sie dann von Österreich nach Amerika?

Moment, wir sind noch nicht so weit, wir müssen nochmal zeitlich zurück, wir müssen erst den Krieg beenden.

Sie waren als Soldat im Krieg?

Ja ich war im Krieg, zwar nicht sehr lange, aber bis zum Zusammenbruch. Es war in Italien. Da bin ich in Gefangenschaft gekom­men, zusammen mit etwa 11.000 deutschen Soldaten, gleich oberhalb von Triest. Dort lagen wir einige Tage in glühender Sonne und nichts zu fressen, gar nichts. Als dort einmal ein deutscher Mitgefangener mit so einem kleinen Wagen Brot durch das Lager gefahren hat, nahm sich ein hungriger deutscher Soldat so einen Stritzen Brot vom Wagen. Da haben ihn die Titopartisanen, bei denen wir als Gefangene waren, dort zusammengeschlagen und weggeführt, ich weiß nicht, was mit ihm dann noch passiert ist.

Einige Tage später sollten wir nach Süden abtransportiert werden. Wir mußten in Dreierreihen gehen, die Menschenschlange hatte kein Ende, die Sonne brannte, da habe ich zu meim Nebenmann und Kollegen Karl Lampl, einem Obersteirer gesagt: „Karl, ich gehe nicht runter, ich weiß was Jugoslawien ist. Ich sterbe hier oder ich sterbe dort, Du ich springe raus.“ Da hat er gesagt: „Hans, jetzt mach keinen Blödsinn, Du kommst doch nicht durch. Jetzt haben wir den Krieg so weit durchgemacht, bleib da, sonst gehst Du doch kaputt.“ Aber ich zog es vor, lieber jetzt gleich erschossen zu werden, als da unten langsam zugrunde zu gehen. Ich sprang und schon krachte es von allen Seiten. Vielleicht 20 oder 30 m vor mir sprang ein anderer raus und wir sind zusammen in ein Gebüsch gerannt und die haben geschossen, daß die Steine splitterten. Wir hatten Glück, denn wir fanden gleich eine gute Deckung, mußten aber lange liegen bleiben, die haben nicht aufgehört zu schießen. Wir waren ganz fertig. Dann sind sie doch weiter gefahren, es hat zwei Stunden gedauert, bis wir keine Fußtritte gehört haben. Wir warteten jedoch bis die Nacht anbrach und alles still war, erst dann haben wir es gewagt, unseren Heimweg nach Österreich anzutreten.

Eines Abends, es war gegen 8.00 Uhr, kamen wir an einen Ort, wo Titoleute den Sieg feierten. Wir gingen schon sehr vorsichtig auf den schmalen und steinigen Wegen und legten immer wieder kleine Horchpausen ein und dennoch wurden wir mit dem Aufruf „Stoj! “ überrascht. Stoj, das heißt halt. Wir blieben stehen, hin konnten wir nicht gehen, die hätten uns erschossen. Nach einigen Augenblicken sprangen wir plötzlich über die Mauer und sind gerannt, nur gerannt, ums Leben gerannt und die haben uns so mit Leuchtraketen beschossen, daß sie uns bald den Hintern verbrannt haben, aber sie haben uns nicht erwischt. Schließlich kehrte wieder Stille ein und wir konnten unseren Weg nach Österreich fortsetzen.

Eines Tages waren wir so durstig, daß wir es nicht mehr aushiel­ten. An einem Berg sahen wir ein Haus oder zwei und mein Kollege aus Bayern, der Sepp Hansmeier, so glaube ich, hieß er, sagte: „Jetzt gehen wir rauf zu dem Haus, und wenn wir dabei kaputt gehen, wir müssen Wasser haben.“ Er ist reingegangen, denn er hat besser italienisch gekonnt als ich und hat gesagt, daß ein ganzes Regiment deutscher Soldaten da unten stünde, sie sol­len nur ruhig sein, es waren Partisanen, dann passierte ihnen nichts. Wir wollen nichts haben, nur Wasser. Die waren veräng­stigt und haben uns Wasser gegeben. Wir haben den Höllendurst gelöscht, haben oft und viel getrunken, daß wir nicht mehr gehen konnten. Wir wurden sehr krank von dem Wasser. Nach einer Zeit konnten wir doch wieder den Weg hinunter an den Isonzo fortsetzen. Da ging es über Schützengräben aus dem 1. Weltkrieg. In diese sind wir oft reingefallen, es war ja Nacht, reingefallen und wieder raus und wieder rein und so sind wir runter gekom­men in die Ebene. In einem Dorf in der Nähe von Udine, ein schö­ner Weg führte dahin, schrie schon wieder einer Stoj!, stehenbleiben! Stehen geblieben sind wir schon, aber hingegangen sind wir nicht, wie er es befahl, sondern haben uns umgedreht und wieder durch. Der aber hat nicht geschossen, hat nichts gemacht. Am Isonzo weiter oben haben wir uns ins Schilf gelegt und war­teten bis der Tag anbrach. Da haben wir uns rausgeschlichen und ein bißchen umgeschaut. Es gab keine Brücken über dem Fluß, alles bombardiert oder zerstört. Da kamen zwei Jungen daher, die haben Kühe geweidet und als sie uns sahen, sagten sie auf itali­enisch, „oh, deutsche Soldaten“. Wir haben sie darauf angespro­chen und sie haben dann erzählt, daß sie auch einen Bruder in deutscher Gefangenschaft hätten. Wir haben sie wissen lassen, daß wir auf den Weg nach Deutschland seien. Sie waren sehr freundlich, die beiden jungen Burschen, so 15 oder 16 Jahre, und wir haben gesagt, all right, wir werden ihrem Bruder helfen, damit er auch heimkommt nach Italien, wenn wir jetzt rauskom­men. Die waren so froh, sind fortgegangen und haben uns so einen Armvoll Brot gebracht. Wir, hungrig wie die Wölfe, haben das Brot verschlungen, haben uns runter an den Fluß begeben und daraus getrunken. Als die Burschen vernahmen, daß wir über den Fluß hinüber wollten, haben sie uns gewarnt, es nicht an dieser Stelle zu tun, hier seien schon viele deutsche Soldaten ertrunken. hier sei das Wasser tief und gefährlich. Ein paar hundert Meter weiter sei es seichter, dort könne man den Isonzo ohne Gefahr überqueren. In der Nacht, als wir dann drüber gingen, waren die Burschen wieder da und haben geschaut, daß wir glücklich hinüber kamen und nichts passierte. Es ist auch gut  gegangen, wir kamen gut voran, immer gegen Norden. Wir liefen an einer Bahnstrecke entlang und nicht all zu weit von einem Bahnhof schrie man uns wieder an, stehen zu bleiben. Es waren aber keine jugoslawischen Partisanen und dennoch sprangen wir runter in den Graben und an der anderen Seite wieder hinauf. Die haben aber nicht geschossen, gar nichts, und dennoch haben wir uns da verloren, ich und der Sepp. Für diesen Fall hatten wir als Erkennungszeichen ein dreimaliges kurzes Pfeifen verabredet. So haben wir uns in einem Kukuruzacker (Maisfeld) wieder gefunden und haben uns umarmt wie die Kinder vor Freude. Wir hatten uns ja fest versprochen, auf keinen Fall in Titogefangenschaft zu gehen, wir wollten nicht als Sklaven zu Tode kommen und bis dahin sind wir diesem Schicksal doch schon einige Male entkommen. So gingen wir mit viel Zuversicht weiter, kamen an ein trockenes Flußbett, das wir flußaufwärts gingen. Da sahen wir weiße Netze, wie große Spinnweben in der Ferne. Wir haben nicht gewußt, was das ist und gingen hin. Auf einmal standen 5 oderr 6 englische Soldaten um uns herum, mit Maschinengewehr und Maschinenpistolen, halten uns an. Ja, was sollten wir machen, wir konnten kein Wort englisch. Die haben uns dann abgeführt in einen Wohnwagen, einen großen Wohnwagen, dort weckten sie einen höheren Offizier, der italienisch sprach. Dieser hat uns befragt, woher wir kommen und wohin wir wollen. Wir konnten uns verständlich machen, daß wir auf dem kürzesten Wege nach Osterreich möchten. Er hat uns belehrt, daß wir niemals auf Bahnstrecken sondern immer auf Straßen und Wegen gehen sollten. Das haben wir dann auch befolgt und gingen die Strada Via Austria“. Aber wir kamen wieder nicht weit und gerieten in die Hände italienischer Kommunisten-Einheiten oder Partisanen. Wir wurden in ein Privathaus abgeführt, wo zwei Deutsche waren und gedolmetscht haben. Sie hatten sich den „Freiheitskämpfern“ als Freunde angeschlossen und die haben uns dann viel geholfen. Sie führten uns in eine Kanzlei, wo höhe­re italienische Partisanen saßen und die haben uns eine Bescheinigung ausgestellt, daß wir unbehindert nach Österreich gehen können und haben uns sogar zur Übernachtung ein Haus zugewiesen, in welchem viele Partisanen in Halbuniform waren. Am nächsten Tag sind wir von englischen Soldaten auf einem Lastwagen mitgenommen worden bis nach Österreich. Sie haben uns Keks und Tee gegeben und waren sehr freundlich zu uns, die haben uns gern gehabt sozusagen. Sie waren schon damals ge­gen Jugoslawien und haben über die Jugoslawen sehr ge­schimpft.

Es gab noch einige Zwischenfälle. Wir wurden noch mehrmals aufgehalten und sollten zurück nach Triest in Gefangeschaft, ins Gefangenlager Tarvisio. Ich sagte zu meinem Freund: „Jetzt gehen wir nicht mehr zurück, so weit haben wir unser Leben eingesetzt und jetzt gehen wir noch einmal durch.“ Hinter einer Kurve, wo wir nicht mehr gesehen werden konnten, sind wir vom Laster gesprungen und durch einen Bach in den Wald und auf der anderen Seite runter, da waren wir in Österreich. Aber auch in Kärnten war man damals noch nicht sicher vor den Titopartisanen. Ein Trick sollte uns vor Gefangennahme bewahren. Wir besorgten uns bei einer Bäuerin gegen Zigaretten ein Stück rotes Tuch. Wir teilten es und wir legten uns den Streifen um die Schulter. So waren wir als „Freiheitskämpfer und Kommunisten“ getarnt und gingen hinunter zur Wache an der Brücke. Alles jugoslawische Soldaten sogenannte Freiheitskämpfer, you know. Der Sepp war immer der frechere. Er ging hin und sagte, daß wir Partisanen der österreichischen Schwadron seien und heim wol­len. Ja, die haben gelacht, uns die Hand gegeben und haben Engländer angehalten, die uns bis zum Wörthersee mitnahmen. Da haben wir uns getrennt. Ich habe gesagt, ich bleibe in Österreich und er wollte nach Hause nach München. Wir haben uns umarmt und mein Kamerad und Freund Sepp ist weggegangen und ich ging ins Flüchtlingslager am Hauptbahnhof. Da waren schon einige Gottscheer.

Es kamen mehr und mehr Flüchtlinge, darunter auch Gottscheer. Das Essen war sehr knapp und das Fleisch stank. Deshalb bin ich gleich zu einem Bauer unten in Ebental bei Klagenfurt gegangen, habe ich vielleicht 2-3 Wochen gearbeitet und als ich mich ein bischen erholt hatte, bin ich wieder weg und habe bei einer englischen Einheit um Arbeit nachgesucht. Die haben mich als Kellner eingestellt. No, da ist es mir gut gegangen. Essen und Trinken soviel ich wollte, Die Einheit wurde aber leider bald verlegt und zwar an die jugoslawische Grenze und dahin wollte ich nicht mit. Ich ging dann nach Graz zu meiner Schwester in Liebenau. Wie wir erfahren hatten, waren die Russen nicht mehr dort. Mein Bruder Richard war auch gekommen, als Flüchtling mit nichts. Nach einigen Tagen bei unserer Schwester beschlossen wir, es wieder bei den Engländern mit Arbeit zu versuchen. Ich habe mich als Koch gemeldet, hatte aber keine Ahnung vom Kochen und meinen Bruder haben sie als Kellner eingestellt.
Mich haben sie zu einem Kochkurs geschickt. Der Offizier meinte noch, ich sei als Österreicher ein guter Koch usw. Nach dem Kurs habe ich in der Küche gearbeitet, versuchte viel abzugucken, wie die Engländer kochen. Zu essen gab es reichlich, was damals sehr wichtig war. Nach einiger Zeit wurde ich zu Arbeiten in den Tondorfer Flugzeugwerken abgestellt, wurde aber wieder als Koch geholt und hatte für 6 oder 7 Sergants in einem Gasthof bei Thondorf zu kochen. Es war damals für mich eine gute Stellung. Leider bin ich dabei erkrankt, schwer erkrankt. Ich bekam Gelenkentzündung. Bei der Arbeit habe ich geschwitzt und der Küche war immer Durchzug. So habe ich mich erkältet und daraus entwickelte sich diese Krankheit. Die Gelenke an Armen
Beinen waren dick geschwollen. Ich hatte Fieber, ging in diesem Zustand noch nach Leibnitz, wo ich nach meiner späteren Frau suchte, die ich schon von zu Hause her kannte. Ihre Eltern waren in Leibnitz. Ich war damals ganz fertig vom Fieber, ich konnte nicht mehr, bin kaum noch nach Graz und mit der Straßenbahn ins Johannes-Krankenhaus gekommen. Es hatte mich niemand dort eingewiesen, aber eine Frau Doktorin, die ich als erste dort traf, hat mich nur angesehen und mich sofort in ein Bett legen lassen und hat mich untersucht. Sie hat mich nicht mehr nach Hause gelassen. Auf meine Frage, wie lange ich wohl dableiben werde, sagte sie, daß es nicht sicher sei, ob ich über­haupt noch rauskommen würde. Ich habe gesagt, das ist unmög­lich, so krank bin ich doch nicht. Aber drei Monate dauerte es, bis ich auskuriert und halbwegs gesund und bei Kräften war.

Nach meinem Krankenhausaufenthalt bekam ich noch 600-Schilling als Überbrückungsgeld. Das hat mir sehr geholfen, denn alles was ich mir vorher an Wäsche und Kleidung angeschafft hatte, war weg. Entweder entwendet oder die englischen Sol­daten haben es weggeworfen. Meine Wohnung war auch weg. Mit 600-Schilling in der Tasche bin ich nach Leibnitz zur Familie meiner Frau gefahren. Sie haben mich gut aufgenommen und kurze Zeit danach haben wir in Graz geheiratet und zogen in eine Baracke in Liebenau. Wir zogen dann nochmals in eine etwas bessere Baracke in Kurfeld um. Von da sind wir nach Amerika ausgewandert. Bis dahin, also bis 1950, habe ich auf dem Bau gearbeitet. In Österreich war damals die Arbeit knapp und stets hat man die Ausländer weggeschickt, um den Österreichern die Arbeit zu geben. Wir galten als Ausländer und es war nicht daran zu denken, daß sich darin bald etwas ändern würde. Deswegen sind wir 1950 nach Amerika ausgewandert.

Und nun Sie Frau Wolf:

Ich bin Frau Anna Wolf, geborene Lackner. Ich komme von Preriegel, Gemeinde Unterdeutschau, wo meine Eltern eine Land­wirtschaft hatten.

Ich habe nur eine Schwester, die auch in Amerika ist. 1941 wurde ich mit meinen Eltern in die Untersteiermark umgesiedelt. Meine Schwester war damals schon verheiratet. Uns wurde ein Dreier-Hof zugeteilt, wenn ich nicht irre, war er 36 ha groß.

Nach unserer Flucht 1945 kam ich mit meinen Eltern in ein Lager. Wir gingen zu Bauern arbeiten, zogen aber nach einer gewissen Zeit nach Leibnitz, wo wir Gottscheer Bekannte hatten. Ich ging in einen Haushalt arbeiten. Dort hat mich dann mein Mann wieder gefunden. Wir kannten uns schon daheim in Gottschee und, wie mein Mann schon gesagt hat, haben wir dann 1946 in der Herz-Jesu-Kirche in Graz geheiratet. Ein Jahr später bekamen wir eine Tochter, sie war 2 1/2 Jahre alt, als wir nach Amerika auswanderten.

Drüben haben wir zunächst bei meiner Tante, die auch die Reisekosten für uns bezahlt hatte, gewohnt. Sie ist schon 1920 nach Amerika ausgewandert. Drüben hatten wir sehr viel Heimweh, weil keine Deutschen oder Gottscheer in Belrose, dem Stadtviertel meiner Tante, lebten.

Nach drei Monaten sind wir nach Ridgewood gezogen und da war es viel besser. Da gab es viele Deutsche und Gottscheer und wir haben uns jeden Sonntag im Park getroffen, haben Erinneungen ausgetauscht und haben gelacht und geweint.

Dieser Park wurde nur der „Jöka-Park“ genannt, das heißt der Park, wo geweint wird. Wohnung bekamen wir in einem 6-Familienhaus, wo wir den Hausmannsposten übernehmen mußten. Das haben wir auch getan; denn mit einem Kind bekommt man sonst nicht so leicht Unterkunft. Ich habe die Hausarbeit gemacht, mein Mann bekam dann schon bessere Arbeit. Später haben wir selbst ein Haus gekauft, auch ein 6-Familienhaus. Darinnen wohnten wir einige Jahre und bauten uns schließlich ein Einfamilienhaus.Die Familie hatte sich inzwischen noch vergrößert. Wir bekamen die 2. Tochter und einen Sohn. Als dieser 8 Jahre alt wurde, ging auch ich wieder außer Haus arbeiten. Und nun kann mein Mann weiter erzählen.

Wolf fährt fort:

Der Kauf des 6-Familienhauses war richtig. Aus den Mieten hatten wir ein zusätzliches Einkommen und als sich später die Möglichkeit für den Kauf eines Baugrundes bot, haben wir selber gebaut. So wohnen wir jetzt schön draußen, haben einen großen Garten mit Bäumen, bauen etwas Gemüse und niemand stört uns. Wir haben die Ruhe, die wir brauchen. Das Haus haben wir gut gebaut, nach europäischer Art mit Ziegeln. Rundherum Fenster und rundherum Garten, das war dann für uns wieder wie daheim: Sonne und Licht. In den Mietshäusern haben wir uns nicht wohl gefühlt. Die Großstadt war auch nicht das Richtige für uns.

IIn n all den Jahren haben wir viel und schwer gearbeitet. Ich wurde krank, bekam Asthma so schwer, daß ich im Krankenhaus auf die Intensivstation kam. Sie haben mich gerettet, seit 6 Jahren kann ich aber nicht mehr arbeiten. Nur zu Hause im Garten noch. Ich bin invalidisiert worden und bin seither Pensionär. Es war eigent­lich eine Allergie, die mich in den lebensbedrohlichen Zustand brachte und darunter habe ich noch zu leiden. Aber jetzt kann ich mit Medikamenten dagegen ankämpfen und habe wieder Lebensmut. Ich wollte schon einmal vor Jahren nach Österreich und Deutschland und überhaupt ganz Europa mit der Eisenbahn bereisen, nur die kommunistischen Länder nicht. Aber im letzten Moment bin ich krank geworden, mußte ins Krankenhaus und die Flug- und Fahrkarten zurückgeben. Und jetzt sind wir doch noch gekommen und es freut mich wirklich, daß wir da sind.

Ja, daß wir im Alter etwas besitzen, haben wir nicht nur gear­beitet, sondern haben uns geschunden. Nun sind wir alt und viele wie ich gesundheitlich nicht auf der Höhe. In kurz oder lang wird der letzte Gottscheer abtreten.

Ich möchte ganz gerne da bleiben. Aber die Kinder sind drüben, das kleine Enkerl, an diesen hängt man …

Von Ihren Kindern haben sie noch nichts berichtet, was machen sie?

Die beiden Töchter sind verheiratet, die eine hat einen Lehrer und die andere einen Chirurgen aus Brasilien. Dieser hat sich auf Operationen im Hirn spezialisiert, ist also Hirnchirurg. Der Sohn ist das zweite Jahr auf der Universität und studiert „accountant“. Ich weiß nicht, wie das Fach auf deutsch heißt. Jeder Großbetrieb muß ihn haben. Vielleicht Buchführer, Wirtschaftsprüfer oder ähnlich. Er arbeitet jetzt nebenbei als Koch in einem Schnellimbiß und hat so ein bißchen Nebenverdienst. Da macht er ein paar Dollar, so daß er wegen Benzin oder Versicherung nicht immer zum Vater zu kommen braucht. Er wird bestimmt seinen Weg gehen und sich eine gute Zukunft gestalten.

Quellenangaben:

1330 – 1941  Gottschee
Die ehemalige deutsche Sprachinsel
Heft 4 und 5

Bearbeitet von:
Wilhelm Lampeter und Ludwig Kren
Herausgeber:
Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland

Weilheim 1994