aus der Reihe: Gottscheer Flüchtlingsschicksale

So sind alle verstreut, ich bin der einzige ...

von Theodor Michitsch,
Inlauf,
Wien

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Mein Name ist Theodor Michitsch, ich bin der Sohn des Paul Michitsch aus Inlauf Nummer 1, Hausname Michlaisch. Mein Vater Paul ist 1879 geboren, Sohn des Michael Michitsch. Er mußte mit 14 Jahren das Haus verlassen, als er in jenes Alter gekommen war, in welchem die jungen Gottscheer auf eigene Füße gestellt wurden. Er ging nach Thürnau zum Bruder seiner Mutter, zu seinem Onkel also, um dort das Kaufmannsgewerbe zu erlernen. Er war dort nicht sehr glücklich und ist eines Tages nach Wien durchgebrannt. In Wien gab es bereits den Verein der Deutschen aus Gottschee. Er hat sofort mit seinen Landsleuten Verbindung aufgenommen und die haben ihm eine Lehrstelle in einem Delikatessengeschäft vermittelt. Nach beendeter Lehrzeit hat er bei verschiedenen Firmen in Wien gearbeitet, war kurze Zeit auch in Triest bei der Firma Tomasoni, kehrte aber wieder zurück nach Wien. Sein Bruder ist dann 1907 in Wien verstorben und mein Vater war der einzige aus seiner Geschwisterschar, der in Wien geblieben ist, in Wien geheiratet hat und in Wien bin dann auch ich zur Welt gekommen und in Wien ist auch mein Vater 1932 verstorben.

Seine Geschwister sind bereits vor 1914 nach Amerika gegangen. Sein Bruder Franz ist in New York Kaufmann geworden und ist dort hochbetagt gestorben. Sein Bruder Josef reiste ebenfalls nach Amerika aus, arbeitete in New York im Baugewerbe, hat fest Geld gespart und ist nach 1918, also nach dem Ersten Weltkrieg nach Gottschee zurück. Er hat seine guten Dollars in Dinars eingewechselt und hat durch die Dinarentwertung einen Teil verloren. Er konnte aber immerhin doch noch einen Teil sei­nes erworbenen Geldes investieren in ein bäuerliches Anwesen. Er ist dann gestorben und seine Kinder haben dieses bäuerliche Anwesen weitergeführt. Meine Schwester Maria hat drüben in Amerika geheiratet, die hieß dann Stampfl, kam nach 1918 eben-falls zurück in die alte Heimat und hat in Inlauf ein Haus gebaut, das Haus Nummer 3. Sie hat von dort aus ihren Sohn Viktor nach Amerika hinüber geschickt. In der Zwischenkriegszeit war sie in Inlauf; hat die Umsiedlung und die Vertreibung mitgemacht. Dadurch daß sie ihren Sohn in New York gehabt hat, ist sie dann von Kärnten aus verhältnismäßig bald nach Kriegsende mit dem Flugzeug wieder hinüber nach Amerika und ist drüben verstor­ben. Meine Cousins aus der Ehe des Josef sind ebenfalls als Flüchtlinge mit ihren Familien nach Kärnten gekommen, konn­ten hier nicht recht Fuß fassen und sind 1950 hinüber nach den Staaten. Der Josef ist bereits gestorben, der Hans und Franz leben noch im Ruhestand drüben und der Paul lebt mit seiner Familie in Los Angeles. So sind alle verstreut und ich bin der einzige, der in Wien übrig geblieben ist.

Interessant ist noch eine Begebenheit in meiner Familie. Der älte­re Bruder meines Vaters, der schon 1907 in Wien verstorben ist, hatte eine Frau aus Budweis in Mähren geheiratet. Als er 1907 starb, ist seine Frau mit dem Kind zurück in ihre Heimat und ist ebenfalls dort verstorben. Mein Vater hatte noch die Vormund­schaft über dieses Kind, das ihm aber entschwunden war.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hab ich zu suchen begonnen und hab im Verlassenschaftsgericht Wien die entsprechenden Akten gefunden. Daraufhin habe ich das Pfarramt in Mährisch Budweis angeschrieben und ich bekam auch die Adresse. Ich hab also meinen Cousin Josef, den Sohn dieses Johann, angeschrieben. Er lebt noch heute in Prag, ist über 70 Jahre alt, er hat Schlosserei gelernt, spricht nur tschechisch und hat eine Tschechin zur Gattin. Der Ehe sind zwei Töchter entsprossen. Ich schreibe ihm, er kann nur tschechisch antworten, ich muß ihm deutsch schrei­ben, so schreiben wir uns wenigstens zu Weihnachten und Ostern. Es war ihm eine große Freude, als er von mir Nachricht bekam, er war sehr gerührt. Er hat mir Fotos geschickt, ich hab ihm Fotos geschickt, und ich kann ihm nur wünschen, daß er trotz dieser schweren Zeit doch noch im Kreis seiner Familie einen schönen Lebensabend verbringt.

Herr Michitsch danke schön für diesen Bericht.

Quellenangaben:

1330 – 1941  Gottschee
Die ehemalige deutsche Sprachinsel

Bearbeitet von:
Wilhelm Lampeter und Ludwig Kren
Herausgeber:
Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland

Weilheim 1994